Blutskizzen
der auch ein paar Stunden im Auto gelegen haben. Wobei Kunz hier am Ort gewohnt hat. Und das waren dieselben Täter, dafür lass ich mir die Hand abhacken. Erdrosselt, gefesselt, im Müll. Alt, männlich, nackt. Dann diese Embryostellung, wie gekommen so gegangen. Mit den Händen vorne hätten sie ausgesehen wie in’nem germanischen Kriegergrab, fehlten nur noch die Waffen. Alte Männer. Warum bringt man alte Männer um? Alleinstehende alte Kerle, der eine zumindest. Und wenn der andere Familie hätte, wäre es bestimmt schon aufgefallen, dass er weg ist. Möglicherweise. Und beide auf dieselbe Art getötet, annähernd dieselbe. Aber ist wahrscheinlich doch noch mal ein Unterschied, ob man jemandem von hinten die Schlinge zuzieht und nur das Zucken spürt, oder Auge in Auge die Daumen auf den Kehlkopf drückt, bis es knackt. Vielleicht brauchen die dieses Gefühl, das Leben aus einem rauszupressen. Warum bringt man alte Männer um? Keine weiteren Verletzungen, nur die Würgemale und der Schädelbruch bei Kunz. Das kann sich nur um Kohle handeln. Rache?’ne alte Rechnung? Affekt? Wenn’s einer wäre, vielleicht, aber nicht bei zweien. Sind ja auch leichte Opfer. Körperlich schwach, oft allein, haben Geld. Bestens geeignet. Das machen die Alten doch immer wieder, misstrauisch gegen die Bank, und dann das Gesparte in der Wohnung deponieren. Damals in der Ausbildung, diese Glas-Wasser-Trick-Nummer, wo Oma einunddreißigtausend Mark in der Plastiktüte hinter den Strümpfen versteckt hatte. Alles weg. Und in der Frühbesprechung haben sie doch letztens auch wieder so was erzählt. Wohnungseinbruch mit vierzigtausend Euro Schaden, Bargeld. Es geht um Kohle. Es geht mit Sicherheit um Kohle. Wenn das einmal geklappt hat, einfach, ohne Mühe, könnte man es ja noch mal versuchen. Aus dem Containermüll …
Telefon.
»Mordkommission, Kirchenberg.«
»Kroneberger, Lukrativ-Markt. Wir hatten vorhin wegen der Liste unserer Lieferanten gesprochen, Sie wollten die haben.«
»Richtig, Herr Kroneberger, die Lieferantenliste.«
»Also, wenn sich mein Computer nicht irrt, müssten das eigentlich alle derzeitigen sein und die ehemaligen bis etwas vor einem Jahr. Weiter zurück wird schwierig.«
»Fürs Erste reicht das, Herr Kroneberger. Haben Sie es als Datei?«
»Als Datei oder als Liste, wie Sie es wollen.«
»Als Datei geht es schneller. Ich habe von Herrn Funk Ihre Karte und schicke Ihnen kurz eine Mail, dann haben Sie meine Adresse.«
»So können wir es machen. Schönen Abend noch.«
»Ach, Herr Kroneberger. Eine Frage habe ich noch. Welche Firma ist bei Ihnen für die Gebäudereinigung zuständig?«
»Die Firma ›Wiper‹, englische Schreibweise«, wie damals der alte Otto-Waalkes-Scherz, lange her, »die haben wir schon seit Jahren.«
»Okay, Wiper, dann hab ich alles.« Noch mal schönen Abend, er legt auf.
I am the wiper, I’ve come to wipe your windows.
War die erste Platte.
22 Uhr 37
Licht. Bei Sener brennt Licht, endlich. Ist er wieder da. Parkplatz direkt davor. Die kaputte Neonröhre vom Coca-Cola-Schild hat er immer noch nicht repariert, wollte er schon seit Wochen. Am Tisch in der Ecke gabeln zwei Rentner Gyros mit Pommes, stumm, vor der Theke wartet ein blonder Jugendlicher in Outdoorjacke. Irgendwas fällt runter in der Küche, ein Messer, dann Zischen und Geklapper.
Die Saloontür öffnet sich. Adrenalinexplosion. Das Kribbeln jagt vom Nacken bis in die Fingerspitzen.
»Hallo.« Das Lächeln, die Stimme. Hitze im Kopf.
Ayse.
Sie reicht dem Blonden den Döner, ihre braunen Finger zupfen die Alufolie zurecht. Drei Euro fünfzig. Er zahlt, für eine Zehntelsekunde aus den Augenwinkeln, wieder Adrenalin. Ihr Zopf fällt wie ein schwarzes Schiffstau über die Schulter, hellgrünes Gummi. Sie stellt sich direkt gegenüber, rosa Bluse, die Hände umfassen die Kante der Theke. Spitzbübische Herausforderung, wer wird schwach?
»Nabend Ayse.« Verloren.
»Nabend, Herr Kommissar«, mit leichter Verzögerung. »Lange nicht gesehen.«
»Ja, länger nicht gesehen, warst ja auch länger nicht hier.«
»Zwischendurch mal ganz kurz, aber immer nur für einen Tag, so auf der Durchreise. Müssen wir uns wohl verpasst haben.« Kleiner Seufzer. »War nicht mal irgendwann die Rede von einem Besuch in Berlin?« Sie zieht die Brauen hoch, direkter Blick.
Stimmt, Berlin. Besuch in Berlin. Ist irgendwie nicht dazu gekommen. Keine Ahnung, warum nicht.
»Ja, äh, ich...«
»Schon gut.« Sie schließt kurz die
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