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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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Zunge die Tropfen auflesen, den Arm hoch, gegen den Strich der Haare. Sie lässt es geschehen, geschlossene Augen, hebt den anderen Arm, das T-Shirt aus dem Bund lösen, über den Kopf ziehen. Der Saum gibt ihre Brüste frei wie die Weihnachtsdecke die Geschenke. Das Glas bleibt in einem Ärmel hängen, ein Spritzer Sekt auf ihrer Schulter, rinnt an der Brustwarze vorbei, über den Bauch, wird vom Rand der Schürze aufgesogen. Sie kichert, die Augen immer noch geschlossen. Kurzer Zug an der Schürze, sie fällt herunter, darunter nur ein Slip. Hey, vorher gar nicht gesehen. Die schwarzen Schamhaare schimmern durch die Baumwolle wie ein Schatten. Am oberen Rand des Slips ein kleiner Fleck vom Sekt.
    Der superlustige Dressman bestellt sich eine zweite Cola, das kann noch dauern. Die Alte mit dem Hund kommt zurück, lässt ihn an den Mülleimer pinkeln, blickt aus den Augenwinkeln rüber. Fifi ist fertig, sie zieht die Töle weiter.
    Dann eben ein Bier zu Hause.

SAMSTAG

06 Uhr 53
    Es brennt, etwas zu heiß. Ganz sacht den Hebel nach links, vorsichtig, da müsste allmählich der tote Punkt sein. Auf einen Schlag wird es kalt, Schock, sofort wieder nach rechts, kochend heiß. Raus. Verdammtes Scheißding. Montag unbedingt die Hausverwaltung anrufen, da muss’ne andere Batterie dran, ist ja lebensgefährlich. Entweder man wird gehäutet wie’ne tote Sau oder stirbt am Herzinfarkt. Die Schelle. Um diese Zeit, mein Gott, schnell ein Handtuch.
    Es tropft im Flur, vor der Tür Frau Gierth.
    »Uih, Herr Kirchenberg.« Sie blickt demonstrativ von oben nach unten. »Ich erinnere mich, da war mal was. Ich wollte eigentlich nicht ungelegen kommen, aber wenn Sie in einer MK sind, erwische ich Sie ja so schlecht. Ich habe bei Ihnen schon Licht gesehen und dachte, das könnte Sie interessieren.«
    »So wichtig?« Die Zugluft legt sich kühl auf die Haut.
    »Sie erinnern sich doch noch an Herrn Siele, der genau über Ihnen gewohnt hat. Ich hatte damals den Eindruck, Sie kannten sich näher.«
    »Nun, näher vielleicht nicht, aber wir haben uns ein paar Mal beim Glas Wein unterhalten, waren sehr angenehme Gespräche.«
    »Wie dem auch sei. Ich habe gestern seinen Bruder getroffen, die beiden wohnen ja Richtung Ingsen raus im Grünen, und ihm geht es gar nicht gut.«
    »Was heißt das? Richtig was Ernstes?«
    »Hörte sich so an. Er hat Krebs, und wenn ich den Bruder richtig verstanden habe, besteht nur noch wenig Hoffnung.«
    »Du meine Güte.« Wenig Hoffnung. Was bedeutet das? Eine Woche? Einen Monat? »Da fehlen mir ja die Worte so am frühen Morgen, Frau Gierth, klingt ja furchtbar.« Es wird immer kälter.
    »Ich will Sie auch nicht länger stören, wie gesagt, ich dachte, Sie wären näher bekannt gewesen. Hier, kleine Entschädigung für die frühe Störung.« Sie greift in die Brötchentüte, holt eins mit Sesam heraus.
    »Ach, Frau Gierth, das war schon in Ordnung, will Ihnen ja nicht Ihr Frühstück wegessen.«
    »Nun nehmen Sie schon, Sie können es wohl vertragen, kann ich ja jetzt beurteilen.« Jungmädchenlächeln. »Außerdem hab ich noch zwei.« Freihändig die Treppe hoch.
    Siele ist todkrank. Waren sehr intensive Gespräche, damals. Aber näher gekannt? Nein. Oder?

10 Uhr 55
    Fünf Minuten hat er noch. Ernst sitzt auf der Motorhaube, raucht, starrt in den Regen, bewegungslos. Die grauen Schwaden schweben senkrecht nach oben, kein Wind. Aus den Rillen des Überdaches fließt das Wasser in Fäden auf den Asphalt. Beckmann und Binz kommen angerollt, bleiben auf dem Besucherparkplatz stehen. Beckmann hat auf der Beifahrerseite die Scheibe einen Spalt weit auf. Regnet das bei dem nicht rein?
    »Fahrzeuge PI Süd, wer fährt den Unfall Herzogstraße?« Stille. »Fahrzeuge PI Süd von Einsatzleitstelle, wer fährt den Unfall Herzogstraße?« Schon etwas genervter. Stört jetzt, der Funk.
    Achtundfünfzig, noch zwei Minuten. Ernst schnippt den Zigarillo weg, der Stummel rollt einen Halbkreis, bleibt eine Handbreit vor der Wassergrenze liegen. Er will einsteigen, um die Ecke biegt ein schwarzer Daimler, fährt bis vor die Rampe. Die Tür öffnet sich, graue Föhnfrisur, Brille, Kamelhaarmantel.
    »Guten Morgen, meine Herren, Johann Müller.« Er kommt entgegen, reicht die Hand mit seriöser Freundlichkeit, wärmende Augen.
    »Konstantin Kirchenberg.«
    »Ernst Funk.«
    »Gehören die beiden dort zu Ihnen?« Er zeigt auf den Vectra.
    »Richtig, aber im Augenblick brauchen wir die noch nicht.«
    »Dann lassen Sie uns bei

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