Blutskizzen
diesem Wetter doch gleich reingehen.« Er geht vor, schließt auf, langer Flur, die letzte Tür links. Mantel auf den Bügel, er fordert zum Hinsetzen auf, geht hinter den Schreibtisch. Rechts an der Wand ein kleines Kreuz, moderne Fassung, der Heiland sieht aus wie ein Insekt.
»Ja, meine Herren, Sie sehen, es ist heute niemand hier, einen Kaffee kann ich Ihnen deshalb nicht anbieten, sehen Sie mir das bitte nach. Kommt schon mal vor, dass samstags nichts los ist. Ich habe Sie gestern angerufen, weil mir Herr Korte mitgeteilt hat, dass Sie nach Herrn Michels gefragt hatten.«
»Das ist so nicht ganz richtig, Herr Müller, hatte ich am Telefon ja schon angedeutet. Wir sind eigentlich wegen Ihres VW-Transporters hier gewesen, Herr Michels ist deshalb relevant geworden, weil er dieses Fahrzeug häufig fährt und es auch an einem bestimmten Tag gefahren hat. So herum ist es richtig.«
Er schürzt die Lippen, denkt nach. »Sie sagten, Sie sind von der Mordkommission, und ich hatte angenommen, Herrn Michels Vergangenheit habe dabei eine Rolle gespielt.«
Kurzer Blick zu Ernst, kontrollierte Überraschung.
»Herrn Michels Vergangenheit...?«
»Ja, ich vermute, Sie wissen davon, dass Herr Michels wegen Mordes vorbestraft ist?«
»Inzwischen wissen wir davon. Woher wissen Sie von der Sache?«
»Ich weiß davon, weil er es mir erzählt hat. Er hat es seinerzeit sofort bei seinem Vorstellungsgespräch angesprochen, genauer gesagt, nicht beim ersten, aber unserem zweiten Gespräch, welches ein ganz außergewöhnliches war, ich erinnere mich noch daran. Er war unglaublich offen, auch was sein Verhältnis zu Gott angeht. In dieser Firma bin ich allerdings der Einzige, der von seiner Vorstrafe weiß, und mir ist sehr daran gelegen, dass das auch so bleibt. Aus diesem Grunde habe ich Sie übrigens auch angerufen, weil ich schon befürchtet hatte, Sie könnten Herrn Korte davon erzählt haben.«
»Konnten wir nicht, weil wir es zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, und hätten wir natürlich auch nicht.«
»Was hat er Ihnen über die Tat damals erzählt?« Ernst, spielt nebenbei mit seinen Fingern.
»Wenig, ich wollte auch keine Einzelheiten wissen. Mir war und ist der Mensch wichtig, und der ist jetzt ein anderer, nachdem er den Weg zu Gott gefunden hat.«
»Und den hat er jetzt gefunden?« Hey, Ernst! Etwas weniger deutlich, die Skepsis.
»Ich weiß nicht, meine Herren, inwieweit christliche Werte und Jesus Christus in Ihrem Leben eine Rolle spielen, für mich spielen sie eine große Rolle. Ich habe Herrn Michels kennen gelernt, als er über die Familie seiner Frau in unsere Gemeinde kam. Sie wissen sicherlich, dass er verheiratet ist und ein kleines Kind hat.«
Ist bekannt.
»Ich habe mit ihm oft und lange gesprochen, auch über sein Erweckungserlebnis vor einigen Jahren, und er ist für mich eines von vielen Beispielen, dass Gott Menschen errettet und Leben heilt.«
Amen.
»Seit wann arbeitet er für Sie?«
»Etwa seit Sommer 2002. Wir brauchten damals dringend einen neuen Buchhalter, weil unser Herr Meinard plötzlich verstarb. Herr Michels ist nämlich Buchhalter, und ein exzellenter dazu.«
»Er ist Ihr Buchhalter? Wie ist es dann zu erklären, dass er so häufig Fahrten für die Firma unternimmt.«
»Er ist nicht nur ein sehr guter Buchhalter, sondern auch überaus fleißig. Wir haben neben dem normalen Geschäft mit Möbeln und Elektrogeräten häufig Termin- oder Expresssachen, die schnell zum Kunden müssen, und das machen, wenn kein Fahrer da ist, auch schon mal Leute aus dem Büro. Wobei Herr Michels schon der ist, der am häufigsten fährt.«
»Woran liegt das?« Ernst ist wieder ruhiger.
»In erster Linie liegt es daran, dass er das gerne tut. Und natürlich daran, ich sagte es ja, dass er sehr fleißig ist. Manchmal muss ich ihn schon von mir aus ein wenig bremsen, ein junger Vater gehört schließlich auch zu seiner Familie.«
»Wie weit gehen diese Expresstouren?«
»Sehr unterschiedlich. Manche sind hier im Stadtgebiet, andere bis fast an die Küste, wir hatten sogar schon Kunden in den Niederlanden.«
»Das heißt, er ist auch schon mal den halben Tag unterwegs?«
»Das kommt vor.«
»Und auch nach Feierabend?«
»Auch das haben wir häufiger. Expresssachen zum Beispiel laufen hier tagsüber auf und müssen dann umgehend weitertransportiert werden, auch wenn es schon Nachmittag ist. Aber könnten Sie mich vielleicht darüber informieren, worum es geht.«
»Wir ermitteln in zwei
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