Blutskizzen
Beifahrersitz der junge Binz. Sie halten kurz, die Scheibe fährt nach unten.
»Wir fahren schon mal los. Helmut hat gesagt, du machst den Tatort.«
»Sprich mich bloß nicht drauf an. Eigentlich habe ich Fußballkarten für heute Abend.«
»Schon gehört. Der Fotograf ist auch unterwegs.«
»Wo ist es überhaupt?«
»Auf einem Parkplatz an der Bundesstraße, einen Kilometer hinter’ner Kneipe, Weidenkrug. In einem Müllcontainer.« Binz funkt, Beckmann fährt die Scheibe hoch, gibt Gas.
Auf dem Flur in der sechsten Etage gedämpfte Hektik. Was ist denn los hier? Ulla kommt aus ihrem Büro, eine Rotakte unterm Arm.
»Konni!? Helmut sagt, du machst den Tatort. Ich dachte, du wärst weg?«
»Das dachte ich auch.«
Petra im Vorzimmer tippt, lächelt im Vorbeigehen, Helmut redet mit dem DGL der Kriminalwache.
»Konni, da bist du ja.« Er presst die Lippen aufeinander, teilnehmender Blick. »Hatte ich dir ja schon erklärt, wir haben keinen anderen. Und es könnte auf den ersten Blick was mit Ullas Sache zu tun haben. Nur Hansi wäre noch da...«
»Schon gut. Ist bestimmt nicht das letzte Mal. Es ist an der Bundesstraße?«
Der DGL K-Wache reicht einen Zettel. »Parkplatz Weidengrund. Fünfhundert Meter hinter dem Lokal. Das ist dieser umgebaute Fachwerkhof.«
»Ein Auto habe ich dir schon besorgt, liegt bei dir im Zimmer. Ulla trommelt ein paar Leute zusammen und kommt nach. Sie macht erst mal den ersten Angriff. Wie wir dann weitermachen, müssen wir mal sehen.« Helmut hebt noch mal die Schultern. Schon gut. Du kannst auch nichts dran machen.
Auf dem Flur Stille, die Tasche mit den Fahrzeugpapieren liegt mitten auf dem Schreibtisch. Grad noch Gerda anrufen.
»Gerda Borchert?«
»Hallo, Schwesterchen, hier ist Konni.«
»Hallo. Wann kommst du, Dominik wartet schon.«
Einmal tief durchatmen. »Ich mag es gar nicht sagen, Gerda, aber ich komme gar nicht. Du musst fahren, du oder meinetwegen auch Kurt. Ich war schon auf dem Weg, aber wir haben einen Tatort, und ich bin der Einzige, der den zurzeit machen kann. Saublöd, ich weiß, aber ich kann es wirklich nicht ändern.«
»Was, das gibt es doch gar nicht. Dominik hat sich so gefreut...«
»Ja, ist mir schon klar, darum gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du fährst mit ihm dahin oder meinetwegen auch dein Kurt. Der ist doch arbeitslos und müsste Zeit haben.«
Stille am anderen Ende.
»Und wie soll ich das machen?«, nach zehn Sekunden. »Ich hatte heute eigentlich was anderes vor.«
»Wie ihr das für euch regelt, müsst ihr sehen. Die Karten stecken bei mir in der Küche an der Pinnwand. Ihr klingelt bei Frau Gierth, die hat einen Schlüssel.«
»Ich überleg mal, was sich machen lässt, irgendwas fällt mir schon ein. Blöd ist nur, dass wir so früh fahren müssen.«
»Du kriegst das schon hin. Ich muss jetzt los, okay. Grüß Dominik von mir, ich melde mich, sobald ich Zeit habe.«
Gruß, sie legt auf.
So, Wagen, Tatortkoffer, Diktiergerät, alles dabei.
Und noch Frau Gierth. Fast vergessen.
13 Uhr 56
Der Fahrtwind schiebt die Regentropfen die Scheibe hoch, der Intervallschalter reicht nicht mehr. Ist ja genau das richtige Tatortwetter. Der Platz vor dem Weidenkrug ist leer, eine Katze gleitet durch den Jägerzaun. So, noch fünfhundert Meter. Der Streifenwagen ist schon von weitem zu sehen, blockiert die Einfahrt zum Parkplatz. Tom winkt weiter, erkennende Handbewegung, er kommt ans Fenster, der Kragenrand schabt über die Bartstoppeln.
»Mahlzeit, Konstantin, hättest auch besseres Wetter mitbringen können. Die Leute vom ED sind ganz schön am Fluchen.«
»Mahlzeit, Tom. Muss sich bei euch der DGL persönlich in den Regen stellen?«
»Na ja, wenn’ne Leiche im Müllcontainer keine DGL-Lage ist, was dann?« Von seinem Mützenschirm tropft es, er klopft mit der flachen Hand aufs Dach.
Müller steht auf der anderen Straßenseite, schon in Weiß, fotografiert. Auf dem Parkplatz neben dem Transit vom ED ein Streifenwagen, hinten Müllers Wagen quer in der Ausfahrt, davor ein kleiner Transporter, auf der Ladefläche Maurergeschirr. Der Fahrer steht neben der Fahrertür, gelbe Regenjacke, raucht, unterhält sich mit dem Beifahrer.
Beckmann und Binz ziehen die Plane über das Gestänge, kletten sie fest, stellen den Pavillon über den Müllcontainer. Einer von der zweiten Streifenwagenbesatzung fasst mit an. Sie gehen zum Transit, öffnen die Schiebetür, ziehen sich die Overalls an. Der Regen macht helle Geräusche auf dem
Weitere Kostenlose Bücher