Blutspuk in Venedig
normal.
Sie glichen denen eines torkelnden und angeschossenen Vogels, der es nicht mehr schaffte, sich in die Luft zu schwingen.
Einem alten Lappen gleich taumelte sie in meiner Nähe umher, mal nach vorn, dann wieder zur Seite, auch wieder zurück, und schließlich klatschte sie jenseits des Gitters gegen einen breiten Grabstein, wo sie klebenblieb.
Ich nutzte das Gitter als Hilfe, umklammerte die Stäbe und stemmte mich so in die Höhe.
Die Maske war sehr gut zu sehen, denn Suko und Claudia waren erschienen. Mein Freund hielt die Frau mit der rechten Hand fest. Die linke hatte er so gedreht, daß der Strahl der Lampe gegen den Grabstein fiel und die Maske aus ihrem dunklen Hintergrund hervorriß.
Ein altes Stück Leder, ein brüchiger Handschuh, wie auch immer man sie bezeichnen sollte, von ihrer äußeren Festigkeit war nicht mehr viel zurückgeblieben. Es gab keine Rose mehr in dem Maul, auch kein starres Gesicht mehr mit schwarzen Augenhöhlen, es war nur mehr eine zuckende und allmählich breiig werdende Masse vorhanden, die wie dunkler Sirup am Gestein nach unten rann und auf der Erde eine Lache hinterließ.
Die Maske war tot, vernichtet, erledigt, die Kraft des Kreuzes war letztendlich wieder mal stärker gewesen als die Macht des Teufels. Und darüber freute ich mich.
Nicht aber Claudia Ferrini!
Sie hatte hinschauen müssen. Es war für sie wie ein Zwang gewesen, und sie brüllte schrecklich auf, daß selbst Suko und ich eine Gänsehaut bekamen.
Dann knickten ihr die Beine weg, sie rutschte aus Sukos Griff hervor und brach zusammen.
***
Claudia Ferrini war ohnmächtig geworden. Während Suko den schlaffen Körper auf seine Arme hievte, schaute ich mir die Reste der Maske an, die auf einem Grab lagen, wo sie eigentlich auch hingehörten. Das, was von ihr übriggeblieben war, sah aus wie verbrannte Blumen. Es sonderte noch einen ekligen Geruch ab. Es stank nach Blut und verkohlter Haut.
Ich hoffte nur, daß die Opfer der Maske Ruhe hatten und ihre Geister, Seelen oder wie auch immer sich nicht in den Klauen einer teuflischen Macht befanden. Mochte der Friedhof hier auf der Insel auch für viele Touristen interessant sein, für uns war er es nicht mehr. Wir sahen zu, daß wir ihn so rasch wie möglich verließen.
Das Boot dümpelte auf dem Wasser. Ich schaute nach Süden. Dort schimmerten die Lichter der Lagunenstadt wie eine Sternenwolke inmitten der Dunkelheit des Alls. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich daran dachte, daß ich die Schönheiten Venedigs mal als Tourist erleben wollte. Bisher war ich nur in die Stadt gekommen, um zu arbeiten.
Ich hatte das Boot losgetaucht. Die Ferrini war aus ihrer Ohnmacht noch nicht erwacht. Später, als wir Venedig ansteuerten, fragte Suko: »Was machen wir mit Claudia?«
Ich hob die Schultern. »Was schon? Nichts. Wir werden mit Fungi sprechen, dem Pizza-Kommissar, und ihm wohl einiges erklären müssen. Ob er uns glaubt, ist seine Sache. Er kann sich mit der Signora hier beschäftigen. Jedenfalls hat sie zu hoch gepokert.«
»Und verloren«, sagte Suko.
Dem brauchte ich nichts mehr hinzuzufügen…
ENDE
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