Blutspuk in Venedig
Quadratzentimeter aufreißen. Es waren mörderische Schmerzen, die ihn überfallen hatten. Sein Gesicht brannte, aber nicht so, als würde es in Flammen stehen. Jemand war dabei, mit zahlreichen Händen an seiner Haut zu zerren.
Arnos erlebte die Schmerzen und wurde zugleich von einem nicht gekannten Grauen gepeitscht. Etwas riß an seinen Lippen, machte sie zu blutigen Fetzen, obwohl er selbst keinen Blutgeschmack spürte. Auch an seinen Augen wurde gezerrt. Sie waren plötzlich aus Eisen, und ein starker Magnet riß sie zu sich heran.
Er hörte sich stöhnen, dann schreien. All die Geräusche klangen dumpf und sehr undeutlich. Die Maske verschluckte alles. Sie stemmte sich selbst gegen die akustische Gegenwehr, und auch die Stirn des Mannes fing an, in Fetzen von dem Knochengerüst herangezogen zu werden.
Das Grauen erstickte ihn. Er bekam auch keine Luft mehr, obwohl sich die Mundöffnung der Maske direkt vor seinen Lippen befinden mußte.
Alles war anders geworden, diese normale Welt gab es für ihn nicht mehr. Er war in einen Strudel hineingerissen worden, den er nicht mehr begriff. Aber dieser Strudel führte nicht mehr hinein in das Leben, er würde ihn dort nicht mehr ausspeien, er war der Besuch, ein Gruß aus dem dunklen, kalten Jenseits. Sids Überlebenswille war zwar vorhanden, ihn jedoch in die Tat umzusetzen, wollte ihm kaum gelingen.
Er riß in einer verzweifelten Geste die Arme hoch und führte die Hände dorthin, wo die Maske vor seinem Gesicht klebte. Zum erstenmal berührte er sie mit den Händen. Sie kam ihm zugleich kalt und warm vor.
Aber auch fest und weich.
Paradox…
Er wollte daran zerren.
Sie saß fest.
Sie ließ ihn nicht los.
Sie war eine grausame Mörderin. Sie war etwas Unvorstellbares, und sie sorgte mit zuckenden und hastigen Bewegungen dafür, daß Sid Arnos nicht mehr auf seinem Platz stehenblieb, sondern anfing, durch die Halle zu taumeln.
Er ging gebückt, die Arme halb erhoben. Die Hände an die Seiten der Maske geklammert, ohne etwas erreichen zu können. Er wirkte wie ein Tänzer, der müde geworden war, sich zwar noch bewegte, aber die Beine kaum in die Höhe bekam.
Irgendwann prallte er gegen die Tür, aber auch das bekam er nicht richtig mit.
Er spürte nur einen dumpfen Schlag, und sein Gesicht, mein Gott, sein Gesicht löste sich mehr und mehr auf.
Der Mann fiel zu Boden. Er schlug hart auf.
Noch immer klebte die Maske vor seinem Gesicht. Doch Mundraumund Augenhöhlen waren nicht mehr von dieser absoluten Schwärze erfüllt.
Aus ihnen quoll das rote Blut. Es verfing sich am Stiel und an der Blüte der Rose, wo es dann zu Boden tropfte und die roten Flecken hinterließ, eine Spur des Todes…
***
Dino Zingara hieß der Fahrer des Motorboots, der den Fremden zum Palazzo Ferrini gefahren hatte. Der Mann war Venezianer, erkannte die Stadt, die Geschichten, er kannte die Kanäle und Brücken, die Palazzi und Hotels, er wußte, wo es den besten Kaffee gab und die tollsten Huren. Er ging seinem Job im Sommer ebenso nach wie im Winter, wenn die Stadt wie unter einem grauen Totenhemd lag, aber er war selten so nervös gewesen wie an diesem spätherbstlichen Tag, als er den Fahrgast am Palazzo Ferrini abgesetzt hatte.
Zingara wußte selbst nicht, was ihn störte. War es die Geschichte des Hauses, in das kein Venezianer freiwillig einen Fuß hineinsetzte? Es konnte sein, und er hätte eigentlich so schnell wie möglich die Anlegestelle verlassen müssen, was er auch getan hatte, aber die Idee, wieder umzukehren, wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf.
Nahe der Rialto-Brücke winkten ihm zwei junge Leute zu, die sich zu einem Hotel fahren lassen wollten. Es waren Deutsche, und das Paar hatte den Aufenthalt in der Lagunenstadt bei einem Preisausschreiben gewonnen. Sie sprachen nur davon, sie konnten sich richtig freuen, und etwas von diesem Funken sprang auch auf Dino Zingara über, so daß er sich mit ihnen unterhielt und den Fremdenführer spielte.
Er erklärte ihnen viel, sie hörten begeistert zu, während sich ihre Hände ineinander verschlungen hatten. Sie waren verliebt und genossen Venedig auch bei diesem Wetter.
Doch seine Sorgen und sein Unbehagen wurde Dino Zingara nicht los.
Beides steigerte sich noch, als er das Paar am Hotel abgesetzt hatte, wo sie sich noch für die tolle Führung bedankten, die sie so schnell nicht vergessen würden.
Was tun?
Zingara überlegte. Er konnte zurück zu seinem Stammplatz fahren – oder sollte er noch mal zum
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