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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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schon …«
    »Hör zu: Der Enkel des alten Oberarztes des Gentofte Hospital wohnt dort. John Koes. Er hat in den sechziger Jahren in Deutschland eine Lehre als Okularist begonnen!«
    Das flüchtige Aufblitzen eines nackten, gelblich weißen Körpers, der am Ufer schwappte, Seegras an einem Oberschenkel.
    »Aber …«
    »Das ist eine lange Geschichte. Die Einsatzkräfte …«
    »Wir haben keine Zeit.« Lars fluchte, schaute auf das Haus. »Christian ist da drin.«
    »Du gehst da nicht allein rein. In zehn Minuten hast du Verstärkung.«
    Lars kniff die Augen zusammen. Blinkte da jemand mit einer Lampe hinter den Fenstern?
    »Lasst sie kommen. Sofort.«
    Er stellte das Telefon ab. Kroch langsam am Rand des Gartens entlang, wurde eins mit den Schatten. Als der Abstand zum Haus am kürzesten war, lief er zusammengekrümmt über den Rasen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich hinter den dunklen Scheiben nichts rührte. Eine Fledermaus strich in einem weichen Bogen dicht an seinem Gesicht vorbei, er spürte einen schwachen Windhauch auf der Haut, als sie vorüberflog. Dann drückte er sich an die Hausmauer. Sein Herz klopfte. Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn, den Rücken, unter die Achseln. Er horchte. Rechts neben ihm raschelte es im Gras, etwas Schlankes glitt durch die Hecke des Nachbargrundstücks, blieb stehen und sah ihn mit leuchtenden Augen an, bevor es wieder in der Dunkelheit verschwand. Eine Katze auf der Jagd.
    Er versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen, lauschte. Das Rauschen der Autobahn nach Helsingør war jetzt leiser, die nächtlichen Geräusche aus dem Unterholz hinter dem Haus und dem Moor am Gentofte Sø wurden deutlicher. Gebüsch und Unterholz schwankten im Wind. Ein Vogel schrie. Ein plötzliches Drehen des Windes riss einzelne Stimmfetzen mit sich.
    … gegen des Unfriedens Geist
    auf dem Felde und am Strand
    entzünden wir das Feuer auf den Gräbern unserer Väter.
    Jede Stadt hat ihre Hex’,
    jeder Sprengel seine Trolle …
    Es roch verbrannt.
    Lars robbte zur Hausecke, duckte sich unter dem großen Wohnzimmerfenster. Noch immer kein Laut von innen. Mit der Hand an der Pistole warf er einen Blick um die Ecke, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Kein Mensch war zu sehen. Der schwache Widerschein des Mondes in den Wolken spiegelte sich in irgendetwas an der Mauer, in Augenhöhe. Lars riskierte noch einen raschen Blick.
    Eine Tür zum Garten stand offen. Fenster mit kleinen Sprossen. Vorsichtig kroch er näher, wich den rostigen Gartenmöbeln aus, die an der Mauer lehnten.
    Er zog die Pistole, ohne sie zu entsichern, und glitt ins Haus. Es roch muffig und schimmlig. Modrig. Als er versuchte, sich zu orientieren, trat er auf eine Hacke und einen Pflanzenstecher. Sein Fuß stieß gegen etwas Hartes. Tastend fand er ein paar Stufen, die nach oben führten. Holzfußboden unter den Füßen. Er blieb stehen, horchte. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die tiefe Dunkelheit hier drinnen. Das alte Haus knarrte, ächzte in seinen Fugen. Seine eigenen hastigen Atemgeräusche.
    Konturen tauchten aus der Dunkelheit auf, die helleren Flächen der Wände, dunkle Türöffnungen, klobige Möbel. Er stand in einem Flur oder Eingangsbereich. Ein letztes Mal lauschte er, dann tastete er vorsichtig mit dem Fuß, bevor er den Boden betrat. Er war keine zwei Schritte gegangen, als der Boden unter ihm knarrte. Sein Herz hämmerte. Aus dem Treppenschacht kam ein lautes Geräusch, er zuckte zusammen. Ein Zweig an einer Fensterscheibe, oder …? Er wartete, die Sekunden zogen sich, er wagte nicht zu atmen. Aber es blieb still.
    Er schaute in die Küche, ein wüstes Durcheinander. Tellerstapel mit alten Essensresten. Es roch säuerlich und faulig. Keinerlei Anzeichen von Christian oder John Koes. Sein Blick fiel auf ein kleines Stück Stoff, das neben dem Küchentisch an einem Haken hing. Vorsichtig hob er es mit einem Kugelschreiber auf, hielt es sich vors Gesicht. Drehte es in das sparsame Licht, das durchs Fenster fiel. Ein String-Tanga, schwarz. Nylon.
    Unter ihm fiel irgendetwas krachend um, das Echo zog sich durch das ganze Haus. Der Boden bebte. Der Keller. Lars ließ den Slip fallen. Die helle Nacht im Küchenfenster. Wo war die Kellertreppe? Er sah sich in der Küche um. Nur eine Tür zum Flur. Nicht einmal eine Tür in den Garten.
    Er ging zurück in den Eingangsbereich, die Tür zwischen Küche und Wohnzimmer war nur angelehnt. Lars drückte sie vorsichtig auf. Ein Chaos aus

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