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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Schulter.
    Im Bus wählte ich einen Fensterplatz für Bob aus, den er unbedingt zum Rausschauen brauchte. Wir waren wieder unterwegs in die City.
    Leider hatte ich recht mit meiner Wetterprognose. Noch während wir im Bus saßen, prasselte plötzlich Regen gegen die Scheibe und bildete komplizierte Muster, während Bob wieder seinen Kopf ans Fenster drückte. Draußen waren nur noch tanzende Regenschirme zu sehen. Die Leute rannten durch aufspritzende Pfützen die Straßen entlang, um dem Wolkenbruch so schnell wie möglich zu entkommen.
    Zum Glück war der Spuk fast vorbei, bis wir das Zentrum von London erreicht hatten. Trotz des schlechten Wetters waren mehr Leute unterwegs als am Vortag.
    »Lass es uns für ein paar Stunden versuchen«, schlug ich Bob vor, als ich ihn auf meine Schulter hievte und mich auf den Weg nach Covent Garden machte. »Aber wenn es wieder anfängt zu regnen, fahren wir sofort nach Hause. Versprochen!«
    Sobald wir die Neal Street erreicht hatten, wurde unser Weg wieder zum Hindernislauf. Ständig wurden wir angesprochen und aufgehalten. Solange Bob die vielen Streicheleinheiten von Fremden nicht zu viel wurden, hatte ich nichts dagegen. Aber in den nächsten zehn Minuten wollten sechs Leute reden, fotografieren und Bob kraulen.
    Ich durfte einfach nicht mehr stehenbleiben, sonst war ich von Menschen umringt, ehe ich mich’s versah.
    Am Ende der Neal Street passierte etwas Interessantes. Bob verstärkte plötzlich den Druck seiner Pfoten auf meiner Schulter, erhob sich und krabbelte auf meinen Arm. Dann sprang er auf den Gehweg und lief vor mir her, so weit die Leine reichte. Er schien zu wissen, wo wir waren und wohin wir wollten. Er übernahm tatsächlich die Führung.
    Bis zu meinem Stammplatz auf der James Street. Dort hielt er inne und wartete, bis ich die Gitarre aus dem Kasten geholt und diesen für ihn auf den Boden gelegt hatte. »Bitte sehr, Bob! Nur für dich«, lud ich ihn ein, Platz zu nehmen. Sofort sprang er in den Gitarrenkasten, trat sich das weiche Innenfutter genüsslich zurecht und ließ sich nieder. Er platzierte sich genau so, dass er seine Umgebung gut beobachten konnte. Interessiert und aufmerksam ließ er dann die Welt an sich vorüberziehen – und weil wir in Covent Garden waren, tat sie das auch.
    Es gab Zeiten, da hatte ich den Traum, ein bekannter Musiker zu werden. Einer wie Kurt Cobain. Auch wenn das heute naiv und total verblödet klingt, aber als ich von Australien nach England kam, war das mein Plan.
    Das habe ich meiner Mutter und auch jedem anderen erzählt, der es hören wollte. Und es gab tatsächlich eine Zeit, in der es aussah, als könnte ich diesen Traum verwirklichen.
    Als mich die Obdachlosenhilfe 2002 von der Straße holte, brachten sie mich in einer Notunterkunft in Dalton unter. Dort traf ich ein paar Jungs, mit denen ich eine Band gründete. Wir waren vier Gitarristen und nannten uns »Hyper Fury«. Das heißt so viel wie »Unbändige Wut« und war eine passende Umschreibung für unseren damaligen Gemütszustand. Auf jeden Fall für meinen, denn ich war damals ein sehr zorniger junger Mann. Ich war unbändig wütend – auf das Leben an sich und vor allem über meine verpfuschte Existenz. Die Musik war mein einziges Ventil für diesen Frust. Deshalb waren unsere Songs auch nicht gerade Chart-tauglich. Sie waren düster und aggressiv, genau wie unsere Texte. Kein Wunder, denn unsere Idole waren Bands wie Nine Inch Nails und Nirvana.
    Trotzdem konnten wir zwei Alben, beziehungsweise Maxi-Singles, veröffentlichen. Die erste erschien im September 2003 und entstand in Zusammenarbeit mit einer zweiten Band namens Corrision. Sie hieß Corrision versus Hyper Fury und enthielt zwei Hardrock-Titel namens »Onslaught« und »Retaliator«, was man mit »Angriff« und »Der Rächer« übersetzen kann. Der Name war Programm in unserer Musikrichtung. Nach sechs Monaten, im März 2004, kam unser zweites Album auf den Markt. Es hieß Profound Destruction Unit – »Truppe für radikale Zerstörung« – und enthielt drei aussagestarke Titel: »Sorry«, »Profound« und eine neue Version von »Retaliator«. Wir haben zwar einige Exemplare verkauft, aber der grandiose Erfolg, von dem wir träumten, blieb aus. Zumindest hat uns niemand eingeladen, auf dem berühmten Glastonbury-Rockfestival, dem englischen Woodstock, aufzutreten.
    Aber wir hatten Fans und auch diverse Auftritte. Meistens im nördlichen Teil von London und in Camden. Dort gab es eine starke

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