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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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noch vor Mitternacht zu Hause zu sein.
    »Heute gönnen wir uns ein ganz besonderes Abendessen«, versprach ich Bob, als wir im Bus nach Tottenham einen Platz gefunden hatten. Aber mein Ladykiller hörte mir kaum zu und drückte sich lieber wieder die Nase am Fenster platt. Fasziniert beobachtete er die vorbeifliegenden hellen Lichter und den Verkehr.
    Wir stiegen zwei Stationen früher aus als sonst. Ganz in der Nähe dieser Haltestelle auf der Tottenham High Road lag ein sehr gutes indisches Restaurant. Wie oft war ich daran schon vorbeigegangen! Bisher hatte es immer nur zum Lesen der verführerischen Karte gereicht, leisten konnte ich mir die köstlich klingenden Gerichte nie. Sie waren einfach zu teuer. Mehr als ein billiges Curry vom Take-Away-Inder aus der Nachbarschaft war nie drin gewesen.
    Heute trat ich ein und bestellte, was mein Herz begehrte: Hühnchen Tikka Masala mit Zitronenreis, Saag Paneer als Beilage und Peshawari Naan zum Nachtisch. Die Kellner warfen mir komische Blicke zu, als sie Bob an der Leine neben mir entdeckten, also teilte ich den Herren mit, dass ich alles in zwanzig Minuten abholen würde. Ich wollte mit Bob in den Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Auch er sollte heute schlemmen. Ich kaufte für ihn ein paar Beutel von dem teuren Katzenfutter, zwei Packungen von seinem Lieblingstrockenfutter und Katzenmilch. Mir gönnte ich ein gutes Bier.
    »Heute lassen wir’s krachen, Bob«, teilte ich ihm mit. »Das war ein denkwürdiger Tag!«
    Nachdem ich unser Essen abgeholt hatte, rannte ich so schnell wie möglich mit Gitarre, schwerem Rucksack, Bob und den Tragetaschen aus dem Nobelrestaurant nach Hause. Mein Magen knurrte wie verrückt, denn aus der Tüte stiegen köstliche Düfte in meine Nase. Zu Hause verschlangen Bob und ich unser Gourmet-Mahl, als hätten wir seit Monaten nichts gegessen. Tatsächlich hatte ich seit Ewigkeiten, vielleicht Jahren, nicht mehr so gut gegessen. Und Bob sicher auch nicht.
    Danach machten wir es uns richtig gemütlich, ich vor dem Fernseher auf der Couch und Bob auf seinem Lieblingsplatz unter der Heizung. In dieser Nacht schliefen wir beide wie die Murmeltiere.

6
    Ein Mann und seine Katze
    A m nächsten Morgen wurde ich von einem plötzlichen Krachen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Es dauerte einen Moment, bis ich meine fünf Sinne zusammengeklaubt hatte, aber dann wusste ich, was los war. Das metallische Klonk kam aus der Küche. Bob versuchte sich mal wieder als Küchenschrankknacker und hatte wahrscheinlich etwas umgeworfen.
    Ich blinzelte schlaftrunken auf die Uhr. Es war bereits zehn Uhr vormittags. Nach all der Aufregung von gestern hatte ich mir erlaubt, auszuschlafen. Aber Bob hatte keine Lust mehr zu warten. So gab er mir zu verstehen: »Steh endlich auf, ich will Frühstück!« Das war sein Wink mit dem Zaunpfahl.
    Pflichtbewusst wälzte ich mich aus meinem warmen Bett und tappte barfuß in die Küche. Der kleine Stahltopf, in dem ich immer Milch aufkochte, lag auf dem Boden.
    Sobald ich auftauchte, trollte sich Bob zu seiner Schüssel und umkreiste sie mit hungrigem Blick. Das hieß: »Beeilung!«
    »Ja, ja, ich mach ja schon!«, brummte ich, während ich die Schranktür öffnete und sein Lieblings-Menü »Hühnchen in feiner Soße« herausholte. Ich löffelte eine Portion in seinen Napf und sah ihm zu, wie er alles in wenigen Sekunden verschlang. Nachdem er wie ein Verdurstender nach einem Wüstenabenteuer sein Wasser aufgeschlabbert hatte, leckte er sich Gesicht und Pfoten sauber. Danach stolzierte er vollgefressen und sehr mit sich zufrieden ins Wohnzimmer zu seinem Platz an der Heizung.
    Ich seufzte. Wenn unser Menschenleben doch auch so einfach wäre, dachte ich wehmütig.
    Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, heute nicht arbeiten zu gehen, aber dann besann ich mich eines Besseren. Trotz unserer Glücksträhne von gestern würde das Geld nicht ewig reichen. Die nächste Strom- und Gasrechnung kam bestimmt. Und weil es in den letzten Wochen wirklich sehr kalt gewesen war, würde diese entsprechend hoch ausfallen. Außerdem gab es jetzt diese neue Verantwortung in meinem Leben. Es galt, ein zusätzliches, kleines Maul zu stopfen – ein ziemlich hungriges und sehr manipulatives noch dazu.
    Also frühstückte ich schnell und packte meine Ausrüstung zusammen. Ich war nicht sicher, ob Bob wieder mitkommen würde. Vielleicht hatte er gestern nur seine Neugierde befriedigen und wissen wollen, wo ich so abhing, wenn ich das

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