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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Gothic-Szene, zu der unser Musik- und Kleidungsstil gut passte. Wir traten in Pubs und in besetzten Häusern auf, wir nahmen jede Buchung an. Für eine Weile schien es, als würden wir vorankommen. Unser größtes Konzert fand im Dublin Castle, einem berühmten Musik-Pub im Norden von London, statt. Von diesem Veranstalter wurden wir sogar ein paar Mal gebucht. Für einen Auftritt beim Gothic Summer Festival. Das war damals eine große Sache. Wir waren so gut im Geschäft, dass ich mit Pete, einem Bandmitglied von Corrision, als Partner ein eigenes Independent Label gründete. Wir nannten es »Corrupt Drive Records«. Leider hat es nicht funktioniert, oder besser gesagt, ich habe nicht funktioniert.
    Damals waren meine beste Freundin Belle und ich für kurze Zeit ein Paar. Als Freunde verstanden wir uns bestens. Sie ist ein sehr fürsorglicher Mensch und hat sich immer um mich gekümmert, aber unsere Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie war selbst drogenabhängig und als meine Partnerin auch noch co-abhängig. Unsere gleichzeitigen Versuche, von den Drogen loszukommen, halfen weder ihr noch mir. Wenn einer von uns gerade versuchte, clean zu werden, hing der andere an der Nadel und umgekehrt. Diese gegenseitige Co-Abhängigkeit war ein Teufelskreis. Ich versuchte, ihn zu durchbrechen, aber wenn ich ehrlich bin, war mein Wunsch, von den Drogen wegzukommen, nicht stark genug. Ich habe damals nicht wirklich an mich geglaubt und konnte mir nicht vorstellen, es jemals zu schaffen.
    Vom Aufstieg in den Musikhimmel hatte ich mich mental bereits verabschiedet. Es war so viel einfacher, alten Gewohnheiten treu zu bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes.
    2005 hatte ich endgültig resigniert. Ich fand mich damit ab, dass die Band nur noch ein Hobby war, aber nie genug abwerfen würde, um davon zu leben. Pete hat unser Label allein weitergeführt, und soviel ich weiß, gibt es die Firma immer noch. Ich dagegen hatte solche Probleme mit meiner Sucht, dass ich mich wieder einmal selbst ausgebootet hatte. Eine weitere verpasste Chance, zerronnen zwischen meinen zittrigen Fingern. Ich werde wohl nie erfahren, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn diese verdammte Sucht nicht gewesen wäre.
    Trotzdem habe ich die Musik nie aufgegeben. Selbst dann nicht, als sich die Band aufgelöst hatte und ich die bittere Pille geschluckt hatte, dass ich als Profi-Musiker gescheitert war. Fast jeden Tag spielte ich stundenlang Gitarre und improvisierte Songs. Die Musik war immer noch mein Ventil. Gott allein weiß, was ohne die Musik aus mir geworden wäre. In den letzten Jahren habe ich mich mit Straßenmusik am Leben und auch finanziell über Wasser gehalten. Ich will nicht wissen, wie ich mir sonst mein Geld verdient hätte. Gar nicht auszudenken!
    Als ich an diesem Spätnachmittag anfing zu spielen, waren sehr viele Touristen unterwegs. Zu meiner Überraschung wiederholte sich das kleine Wunder vom Vortag. Kaum hatte ich mich hingesetzt – oder, besser gesagt, kaum hatte Bob sich niedergelassen –, blieben viele Leute, die sonst gleichgültig an mir vorübergehastet wären, stehen, um sich mit ihm zu beschäftigen.
    Wieder waren es vor allem Frauen, die nicht an ihm vorbeigehen konnten. Nach ein paar Minuten schlenderte eine Politesse auf uns zu. Ihre strenge Miene, die zu ihrem Beruf gehört wie die Uniform, entgleiste in ein warmes Lächeln, als sie Bob bemerkte. »Hey, wer bist du denn?«, fragte sie und ging in die Hocke, um Bob zu streicheln. Mich hat sie kaum beachtet, und sie hat mir auch nichts gegeben. Aber das war nicht der Punkt. Es bereitete mir viel Vergnügen, zuzusehen, wie Bob wildfremden Menschen im Vorbeigehen ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte. Es war eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen wollte.
    Zweifellos war er ein wunderschöner Kater, aber das war nicht der Grund für seine Anziehungskraft. Es war seine Aura, diese Mischung aus Charme gepaart mit ruhiger Ausgeglichenheit, die Leute in Scharen anzog. Allein durch seine Anwesenheit schenkte er den Menschen einen kleinen Glücksmoment.
    Er war aber genauso in der Lage, Ablehnung auszudrücken, wenn er jemanden nicht mochte. An diesem Tag hatten wir so eine Begegnung mit einem sehr gut gekleideten, sichtlich wohlhabenden Geschäftsmann aus dem Nahen Osten. Er wollte achtlos an uns vorübergehen, aber seine Begleiterin, eine wunderschöne blonde Frau, die aussah wie ein Model, blieb stehen, als sie Bob sah. »Oh, sieh doch mal, was für eine

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