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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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eine Attraktion, besonders für die Touristen. Aus aller Herren Länder blieben Leute stehen, um mit Bob Kontakt aufzunehmen. Ich hörte Sprachen von überall her, von Afrikaans bis Walisisch. Vor allem das Wort »Katze« hatte ich bereits in all diesen Sprachen gelernt und viele Ausdrücke behalten: in Slowakisch Kocka und in Russisch Koshka oder in Türkisch Kedi . Mein absolutes Lieblingswort für Katze hatten die Chinesen: Mao. Es hat mich doch sehr überrascht, dass ihr großer Führer eine Katze war!
    Aber egal wie seltsam oder melodisch jemand in seiner Muttersprache auf uns einredete, es ging immer nur um eines: Alle liebten Bob.
    Unter den Anwohnern der James Street hatten wir sogar Stammgäste: Leute, die täglich auf ihrem Heimweg von der Arbeit an uns vorbeikamen. Die blieben immer stehen, um Bob zu begrüßen. Manchmal bekam er sogar kleine Geschenke.
    Aber leider gab es auch Leute, die uns keine Sympathie entgegenbrachten. Zuerst nahmen mich die Covent Guardians aufs Korn, weil ich immer wieder vor der U-Bahn-Station James Street Gitarre spielte. Einer von ihnen verwarnte mich immer wieder. Er berief sich auf die amtlichen Vorgaben, die meinen Lieblingsplatz den lebenden Statuen zugeteilt hatten. Dass keiner von denen da war, hieß für ihn leider nicht, dass ich diesen Freiraum belegen durfte. »Sie kennen die Regeln«, wiederholte er laufend in Ermangelung besserer Argumente.
    Klar kannte ich die Regeln, aber Regeln sind da, um auch mal umgangen zu werden. Auch das ist ein Gesetz der Straße. Wenn wir uns immer an alle Regeln gehalten hätten, wäre die Straße wohl kaum unser Arbeits- und Lebensraum.
    Deshalb verzog ich mich jedes Mal friedlich, wenn mich der Guardian verscheuchte, spielte für ein paar Stunden woanders und kam später ganz unauffällig zurück in die James Street. Dabei ging ich kein allzu großes Risiko ein, denn bisher hatten die Covent Guardians noch nie die Polizei geholt, weil jemand an verbotener Stelle eine Vorführung gab.
    Viel penetranter waren die Angestellten der U-Bahn, denen es plötzlich auch nicht mehr passte, dass ich ihre Passagiere gleich am Ausgang mit Musik unterhielt. Besonders zwei Fahrscheinkontrolleure hatten es auf mich abgesehen. Anfangs erntete ich nur böse Blicke und den einen oder anderen abfälligen Kommentar, wenn ich an der Außenmauer des Stationsgebäudes saß. Eines Tages jedoch kam ein extrem unsympathischer Kontrolleur auf mich zu. Er war dick und schwitzte sichtbar in seiner blauen Uniform, während er mich verwarnte.
    Auf Bobs Menschenkenntnis konnte ich mich wirklich verlassen. Er hatte seinen sechsten Sinn dafür schon oft bewiesen. Mit seinem unsichtbaren Radar witterte er unangenehme Personen, lange bevor ich sie erspähte. So auch diesen Fettsack. Mein kleiner roter Held drückte sich bereits schutzsuchend an mich, noch bevor der Typ aufgetaucht war. Für mich war das ein Zeichen, auf der Hut zu sein.
    »Hallo! Geht’s gut?«, versuchte ich dem Widerling den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    »Nein, nicht wirklich«, war die schroffe Antwort. »Verpiss dich, oder es passiert was!«
    »Was denn?«, trotzte ich seiner unbegründeten Wut auf mich.
    »Wirst du schon sehen«, versuchte er mich einzuschüchtern. »Das ist eine Warnung!«
    Er hatte keinerlei Befugnis außerhalb des U-Bahn-Bereiches, und ich hatte nicht vor, mich von ihm einschüchtern zu lassen. Trotzdem beschloss ich, meinen Lieblingsplatz für eine Weile zu meiden.
    Zuerst zog ich um auf die Neal Street, Ecke Long Acre. Also immer noch ganz nahe an einer U-Bahn-Station, aber weit genug entfernt, um den übereifrigen Mitarbeitern nicht mehr in die Quere zu kommen. Leider war dort auch nicht so viel los, und die Passanten waren nicht so spendierfreudig wie in Covent Garden. Trotzdem trat immer wieder jemand gegen meinen Rucksack oder erschreckte Bob. Er fühlte sich hier gar nicht wohl. Sobald ich an dieser Ecke anfing zu spielen, rollte er sich zu einem abwehrenden Ball zusammen und beobachtete aus zusammengekniffenen Augen misstrauisch sein Umfeld. Seine Abwehrhaltung war eine klare Ansage: »Hier gefällt´s mir nicht!«
    Nach ein paar Tagen gab ich nach. Wir stiegen ein paar Haltestellen früher aus und liefen durch Soho in Richtung Piccadilly Circus. Wir waren immer noch im Stadtzentrum, im Bezirk Westminster. So gab es auch hier Regeln und Einteilungen für Straßenkünstler. Bob zuliebe wollte ich mich daran halten. Ich hatte gehört, dass es östlich von Piccadilly

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