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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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gemacht.
    »Werde ich jetzt als sein rechtmäßiger Besitzer registriert?«, fragte ich vorsichtig.
    Sie sah von ihren Papieren hoch und lächelte.
    »Ja, wenn das für Sie in Ordnung ist?«
    »Aber ja, natürlich, das ist wunderbar!«, versicherte ich ihr. »Wirklich, ich freue mich sehr!«
    Währenddessen hatte sich Bob auf meinem Arm schon wieder sichtlich erholt. Ich kraulte ihn am Kopf. Dabei passte ich auf, seinen Nacken nicht zu berühren. Ich wollte ihm nicht wehtun, aber auch vermeiden, dass er mir vor Schmerz versehentlich den Arm zerkratzte.
    »Hast du das gehört, Bob?«, nuschelte ich leise zwischen seine Ohren. »Wir sind jetzt eine richtige Familie, ganz offiziell!«
    Auf dem Weg zum Bus durch Islington wurden wir noch mehr angegafft als sonst. Das lag bestimmt an meinem Grinsen. Es war breiter als die Themse, und ich konnte es einfach nicht abstellen.
    Bob hat mein Leben ganz schön umgekrempelt. Ihm zuliebe hat sich in meinem Singlehaushalt viel geändert.
    Er hat mich nicht nur dazu gebracht, einen geregelteren Tagesablauf einzuhalten und Verantwortung zu übernehmen, sondern auch, mich selbst zu hinterfragen. Mit niederschmetterndem Ergebnis.
    Bobs Besitzer war ein Dogenabhängiger auf Entzug. Einer, der täglich seine Ersatzdroge aus der Apotheke holte und zweimal im Monat zur Drogenambulanz pilgerte. Das alles war mir so peinlich, dass ich es tunlichst vermied, Bob zu diesen Terminen mitzunehmen. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich wollte nicht, dass Bob diesen Teil meiner Vergangenheit kennenlernte.
    Und doch war es sein Verdienst, dass ich meine Sucht inzwischen definitiv als Vergangenheit bezeichnen konnte.
    Bob hatte mir den Glauben an eine drogenfreie Zukunft und die Chance auf ein normales Leben zurückgegeben. Aber den langwierigen Prozess bis dahin wollte ich ihm unbedingt ersparen.
    Leider stolperte ich immer noch über Erinnerungsstücke an meine dunklen Zeiten, die mir vor Augen führten, welch langen und steinigen Weg ich noch vor mir hatte. Ein paar Tage nachdem Bob seinen Mikrochip bekommen hatte, durchwühlte ich meine Kommode im Schlafzimmer. Ich war auf der Suche nach der neuen Oystercard, meiner elektronischen Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Sie war vor ein paar Tagen mit der Post gekommen. Unter einem Stapel alter Zeitungen und ein paar T-Shirts stieß ich auf eine Tupperware-Box. Ich hatte sie längst vergessen, nicht aber ihren Inhalt. Den kannte ich, auch ohne sie zu öffnen. Sie enthielt all die Utensilien, die man als Heroinsüchtiger braucht: Injektionsnadeln, Spritzenkanülen und andere traurige Dinge für den täglichen Suchtbedarf. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als würde mich ein böser Geist aus der Vergangenheit mit seinem kalten Atem streifen. Die unscheinbare Plastikbox war voller schlechter Erinnerungen. Wie bei einem Flashback zuckten mir scheußliche Bilder aus dunklen Tagen durch den Kopf. Bilder, die ich tief in meinem Unterbewusstsein weggesperrt hatte und nie wieder sehen wollte.
    Die Box musste weg. Sofort und endgültig. Raus aus meiner Wohnung. Sie sollte mich nie wieder erinnern oder gar in Versuchung führen. Vor allem wollte ich sie nicht in Bobs Nähe wissen, auch wenn sie noch so gut versteckt war.
    Bob saß neben der Heizung, sprang aber sofort auf, als ich meinen Mantel anzog. Er folgte mir nach unten und wich mir bis zu den Müllcontainern nicht von der Seite. Er ließ mich nicht aus den Augen, bis die Box im Eimer für Sondermüll gelandet war.
    »So«, sagte ich erleichtert zu ihm. »Das war schon lange fällig.« Er schenkte mir einen seiner unergründlichen Blicke. Ich glaube, er war zufrieden mit mir.

9
    Der Ausreißer
    S o etwas wie »Alltag« gibt es nicht auf der Straße. Man muss immer auf der Hut sein vor unerwarteten Veränderungen, das habe ich schnell gelernt. Sozialarbeiter sind immer gleich zur Stelle mit dem Wort »chaotisch«, wenn sie von Leuten wie mir reden. Sie nennen unser Leben chaotisch, weil es nicht in ihre von den gesellschaftlichen Normen geprägte Schablone passt. Aber für Menschen, die auf der Straße leben und arbeiten, gelten andere Regeln – und diese Lebensweise ist für uns »normal«.
    So war ich auch nicht allzu überrascht, als nach einem tollen Sommer mit Bob der Herbst ins Land zog und unser Job in Covent Garden plötzlich schwieriger wurde. Ich hatte schon auf eine große Veränderung gewartet. Nichts bleibt wie es ist. Besonders nicht in meinem Leben.
    Bob war immer noch

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