Bob, der Streuner
Katzenmutter von gegenüber, ins Gespräch kam. »Sie sollten an einem Donnerstag mit Bob nach Islington Green fahren«, riet sie mir. »Dort steht an diesem Tag immer der Blue-Cross-Bus mit der mobilen Tierarztpraxis. Dort zahlt man nur für den Chip. Aber Sie müssen früh da sein, der Andrang ist groß«, schärfte sie mir ein.
Heute war Donnerstag. Ich wollte früh dort sein, um in den zwei Stunden zwischen zehn und zwölf Uhr auch sicher dranzukommen.
Wie es die Katzenmutter vorausgesagt hatte, sahen wir schon von Weitem eine lange Warteschlange. Die Leute standen bis zur Waterstone- Buchhandlung an der nächsten Ecke. Zum Glück war es ein sonniger Morgen, sodass das Warten erträglich blieb.
Es war die übliche Mischung an Leuten, die man bei solchen sozialen Einrichtungen antrifft: Katzenbesitzer mit den praktischen Trageboxen, Hunde, die sich gegenseitig beschnupperten und miteinander herumalberten. Es war eine gesittete Ansammlung, und die Tierhalter waren viel angenehmer und netter als bei der RSPCA -Ambulanz, wo ich Bob wegen seines verletzten Beins hingebracht hatte.
Seltsam, aber Bob war die einzige Katze, die nicht in einem Katzenkorb weggesperrt war. Wir erregten deshalb viel Aufmerksamkeit. Ein paar ältere Damen waren ganz hingerissen von Bob, und er bekam viele Streicheleinheiten.
Nach eineinhalb Stunden in der Warteschlange waren wir endlich ganz vorne. Eine junge Tierarzthelferin mit Kurzhaarschnitt begrüßte uns freundlich.
»Was kostet es, ihm einen Mikrochip einsetzen zu lassen?«, fragte ich sie.
»15 Pfund«, gab sie lächelnd Auskunft. Sie sah mir wohl an, dass ich nicht gerade in Geld schwamm, und fügte hinzu: »Sie müssen das auch nicht auf einmal bezahlen. Wir können Ratenzahlung vereinbaren. Wie wäre es mit 2 Pfund pro Woche?«
Ich war angenehm überrascht. »Cool! Das schaff ich!«, stimmte ich erleichtert zu.
Zuerst sollte Bob noch kurz untersucht werden, wahrscheinlich um festzustellen, dass er gesund und flohfrei war. Nicht ohne Stolz ging ich davon aus, dass es keine Beanstandung geben würde. Es ging ihm besser denn je. Seit seiner Mauser war er ein schlanker, sehr athletischer Kater zum Vorschein gekommen.
Danach brachte uns die Assistentin zum Behandlungsraum, wo uns der Tierarzt bereits erwartete. Er war noch ziemlich jung, vielleicht Mitte zwanzig.
»Guten Morgen«, begrüßte er uns, bevor er sich mit seiner Assistentin in eine Ecke zur Beratung zurückzog. Ich beobachtete die beiden, während sie alle Utensilien zum Einsetzen des Chips zusammensuchten. Die junge Frau mit den kurzen Haaren suchte Papiere zusammen, während der Arzt Spritze und Nadel für die Einpflanzung vorbereitete. Beim Anblick der Nadelgröße stockte mir das Blut in den Adern. Aber das ließ sich wohl nicht vermeiden. Der Chip in Reiskorngröße brauchte eine entsprechend große Kanüle.
Leider hatte auch Bob die Riesenspritze gesehen und versuchte zu flüchten – zum ersten Mal bei einem Arztbesuch. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Zusammen mit der Assistentin versuchte ich, Bob festzuhalten und vom Tierarzt wegzudrehen, damit er die Spritze nicht kommen sah. Aber Bob war nicht dumm, er ahnte die Gefahr. So panisch hatte ich ihn noch nie erlebt. Er versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien. Katzen können sich blitzschnell aufbäumen, winden und verbiegen, sodass man sie zu nichts zwingen kann. »Keine Angst, Bob, das ist gleich vorbei«, redete ich beruhigend auf ihn ein und streichelte ihm Bauch und Hinterbeine, während die Tierarzthelferin ihn im Spezialgriff vorne festhielt. Ich wollte ihn von dem näher kommenden Tierarzt ablenken.
Als die Nadel Bobs Haut durchstach, stieß er einen jämmerlichen, grellen Schrei aus, der mir durch Mark und Bein ging. Als es Bob vor Schmerzen schüttelte, trieb es mir die Tränen in die Augen. Aber kaum hatte der Arzt die Nadel herausgezogen, fing er sich wieder. Zum Trost gab ich ihm eines seiner Lieblingsleckerchen. Dann hob ich ihn vorsichtig hoch und trug ihn zurück zum Eingangsbereich.
»Das hast du gut gemacht, mein kleiner Kämpfer!«, flüsterte ich ihm zu.
Danach sollte ich noch ein paar kompliziert aussehende Formulare ausfüllen, aber zum Glück half mir die Tierarzthelferin dabei.
»Wir brauchen Ihre Kontaktdaten für die Datenbank«, erklärte sie mir. »Name, Adresse, Telefon?« Während sie meine Angaben in ihre Formulare schrieb, erkannte ich die Bedeutung dieses Augenblicks. Ich hatte endlich Nägel mit Köpfen
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