Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
Vom Netzwerk:
noch nie zusammen U-Bahn gefahren und die Rolltreppen wären ihm bestimmt unheimlich.
    Also lief ich zu den Ausgängen auf der anderen Seite der Halle, die zum Piccadilly Circus führten.
    Zwei Sekunden später sah ich auf einer Treppe etwas Rotes aufblitzen. Und dann den Zipfel seiner Leine, die über die Treppe nach oben schleifte.
    »Bob!«, brüllte ich. »Bob!« Ich versuchte, die Leine zu erwischen, konnte mich aber nur mühsam gegen die mir entgegenkommende Flut an Neuankömmlingen durchquetschen. Höchstens zehn Meter trennten mich von Bob, aber ich kam nicht voran. Ich fühlte mich wie in einem dieser Albträume, in denen man läuft, aber nicht von der Stelle kommt, obwohl man fast stirbt vor Angst. Der Gegenstrom der Passagiere, die in die Bahnhofshalle drängten, hielt mich gefangen und drückte mich zurück. »Halten Sie ihn auf! Bitte, treten Sie auf seine Leine!«, brüllte ich, als das rote Fellbüschel im Abendlicht über mir nochmals aufleuchtete.
    Aber niemand schenkte mir Beachtung, niemand hörte mir zu.
    Die Leine war weg, Bob endgültig verschwunden. Bestimmt war er auf die Regent Street geflüchtet. Unbekanntes Revier für Bob, und kein Wunder, wenn er vor lauter Panik ziellos weitergelaufen war.
    Meine Gedanken überschlugen sich. In meinem Kopf spielten sich die unmöglichsten Horrorszenarien ab. War er oben auf die Straße gelaufen? Hat ihn jemand gesehen und mitgenommen? Als ich mich endlich die Treppen hochgekämpft hatte und auf der Straße ankam, war ich selbst in Panik. Mir war nur noch zum Heulen zumute, denn ich war überzeugt, ich würde Bob nie mehr wiedersehen.
    Was passiert war, hätte ich nicht verhindern können, trotzdem fühlte ich mich schrecklich. Warum, verdammt noch mal, hatte ich Bobs Leine nicht an meinem Rucksack oder an meinem Gürtel befestigt? Warum hatte ich seine Panik ignoriert, als das Ripley-Monster aufgetaucht war? Warum hatte ich mir nicht gleich einen anderen Platz gesucht? Ich war so wütend auf mich, dass mir übel wurde.
    In welche Richtung könnte Bob gelaufen sein? Wieder musste ich mich entscheiden. Nach links zum Piccadilly oder etwa in den riesigen Laden von Tower Records? Instinktiv wäre er wahrscheinlich am ehesten geradeaus weitergerannt – auf dem breiten Gehweg der Regent Street.
    Völlig aufgelöst klammerte ich mich an diesen Strohhalm und lief los. »Haben Sie eine rote Katze mit Leine gesehen?«, wiederholte ich dabei wie ein Mantra die Frage an alle, die mir entgegenkamen. Ich muss wie ein Verrückter gewirkt haben, denn ich erntete nichts als scheele Blicke. Einige Leute wichen mir aus, als wäre ich ein Amokläufer.
    Zum Glück reagierten aber nicht alle Leute so. Nach etwa 500 Metern kam mir ein junges Mädchen mit einer großen Tüte vom Apple Store auf der Oxford Street entgegen. Sie kam also vom anderen Ende der Regent Street, wo ich hinwollte. Ich hielt sie auf und fragte, ob sie eine Katze gesehen hätte.
    »Ja«, antwortete sie. »Da war eine Katze. Sie hat weiter oben versucht, sich einen Weg durch den Verkehr zu bahnen. Eine rote Katze. Sie hat ihre Leine hinter sich hergeschleift. Ein Mann hat versucht, auf die Leine zu treten, aber die Katze war zu schnell.«
    Zuerst übermannte mich pures Glücksgefühl. Am liebsten hätte ich die Botin dieser guten Nachricht abgeknutscht. Kein Zweifel, das war Bob! Aber nur Sekunden später war ich wieder in Panik. Wer war der Kerl, der versucht hatte, Bob einzufangen? Was hatte er vor mit meinem Kater? Hatte er Bob noch mehr verschreckt? Vielleicht hatte sich mein armer Kater inzwischen irgendwo verkrochen, wo ich ihn nie wieder finden würde!
    All diese Gedanken spukten mir beim Weiterlaufen durch den Kopf. Dabei steckte ich den Kopf in jeden verdammten Laden auf dem Weg. »Haben Sie eine rote Katze gesehen?« Die meisten Verkäuferinnen wichen beim Anblick eines verstörten, langhaarigen Hünen entsetzt zurück. Aber ich erntete nur ausdruckslose Blicke oder verständnisloses Kopfschütteln. Bestimmt hielten sie mich für einen Obdachlosen, den der Wind versehentlich von der Straße hereingeblasen hatte.
    Nachdem ich diverse Geschäfte abgeklappert hatte, sank meine neu erwachte Hoffnung wieder auf den Nullpunkt. Ich hatte keine Ahnung, wie lange Bob nun schon verschwunden war. Für mich war die Zeit stehengeblieben. Ich saß fest in einem Albtraum, der in Zeitlupentempo ablief. Ich war kurz davor, aufzugeben.
    Ein paar hundert Meter weiter die Regent Street hinunter kam eine

Weitere Kostenlose Bücher