Bockmist
Tag gewesen sein, Naimh. Da gab’s bestimmt ‘ne Riesentorte.« Ich blicke wieder mein Publikum an. »Für uns ist aber noch wichtiger, daß er der einzige Zeichnungsberechtigte von über neunzig verschiedenen Bankkonten ist, und eins davon hat uns seit sechs Monaten den Sold gezahlt.«
Niemand fällt mir ins Wort, also muß ich die Pointe selbst beisteuern.
»Dieser Mann ist der Erfinder, Koordinator, Waffenlieferant und Geldgeber des Schwerts der Gerechtigkeit.«
Pause.
Nur Latifa gibt ein Geräusch von sich; ein kleines ungläubiges Schnauben, vielleicht ist es auch Angst oder Wut. Die anderen schweigen.
Lange Zeit starren wir alle Murdah an. Ich sehe, daß er auch am Hals Blutspuren aufweist – vielleicht habe ich ihn etwas unsanft die Treppe hochgestoßen –, aber davon abgesehen sieht er gut aus. Warum auch nicht?
»Bockmist«, sagt Latifa endlich.
»Stimmt«, sage ich. »Bockmist. Mr Murdah, das ist Bockmist. Würden Sie uns da zustimmen?«
Murdah starrt uns bloß an und versucht verzweifelt dahinterzukommen, wer von uns wohl noch am normalsten ist.
»Würden Sie uns da zustimmen?«, wiederhole ich.
»Wir sind eine revolutionäre Bewegung«, sagt Cyrus plötzlich, woraufhin ich Francisco anschaue – eigentlich ist das sein Text. Aber Francisco runzelt die Stirn, sieht sich um, und ihm ist anzusehen, daß er über den Unterschied zwischen Aktionsplanung und Aktionsverlauf nachdenkt. Davon stand nichts im Prospekt, lautet seine Beschwerde.
»Daran ändert sich auch nichts«, sage ich. »Wir sind eine revolutionäre Bewegung mit einem Sponsor aus der freien Wirtschaft. Und damit hat es sich. Dieser Mann«, ich deute möglichst theatralisch auf Murdah, »hat euch alle aufs Kreuz gelegt, hat uns und die ganze Welt aufs Kreuz gelegt, damit er seine Waffen verkaufen kann.« Sie werden unruhig. »Das nennt man Marketing. Aggressives Marketing. Man schafft Nachfrage für ein Produkt, wo einstmals nur Narzissen blühten. Das ist der Beruf dieses Mannes.«
Ich drehe mich um und sehe ihn in der Hoffnung an, daß er sich einschaltet und sagt: »Ja, es stimmt, jedes Wort ist wahr.« Aber Murdah ist nicht in Redelaune, statt dessen entsteht eine lange Pause. Zahllose Brownsche Gedanken flitzen herum und stoßen zusammen.
»Waffen«, sagt Francisco schließlich. Seine Stimme ist leise und weich, er könnte kilometerweit weg sein. »Was für Waffen?«
Jetzt kommt’s. Das ist der große Augenblick, wo ich ihnen alles erklären und sie überzeugen muß.
»Ein Helikopter«, sage ich, und jetzt sehen mich alle an. Auch Murdah. »Sie schicken einen Helikopter, der uns umbringen soll.«
Murdah räuspert sich.
»Er wird nicht kommen«, sagt er, ohne daß sich entscheiden ließe, ob er mich oder sich überreden will. »Ich bin hier, und daher wird er nicht kommen.«
Ich wende mich an die anderen.
»Jeden Moment wird dort ein Helikopter sichtbar werden«, sage ich und zeige in die Sonne. Bernhard ist der einzige, der sich umdreht. Die anderen sehen mich unverwandt an. »Ein Helikopter, der kleiner, schneller und besser bewaffnet ist als alles, was ihr je im Leben gesehen habt. Er wird jeden Augenblick hier sein und uns alle vom Dach fegen. Wahrscheinlich fegt er das Dach und die beiden obersten Stockwerke gleich mit weg, denn diese Maschine hat eine unglaubliche Durchschlagskraft.«
In der nächsten Pause sehen ein paar von ihnen betreten zu Boden. Benjamin will etwas sagen oder wahrscheinlich eher brüllen, aber Francisco legt ihm die Hand auf die Schulter und sieht mich an.
»Wir wissen, daß sie einen Helikopter schicken, Ricky«, sagt er.
Hoppla. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nicht im entferntesten. Ich sehe den anderen in die Augen, und als ich zu Benjamin komme, kann er sich nicht mehr beherrschen.
»Kapierst du jetzt endlich, du blödes Arschloch?«, kreischt er und lacht dabei fast, so sehr haßt er mich. »Wir haben es geschafft.« Er fängt an, auf und ab zu hüpfen, und bekommt wieder Nasenbluten. »Wir haben es geschafft, und dein Verrat war völlig umsonst.«
Ich sehe Francisco an.
»Sie haben uns angerufen, Rick«, sagt er, seine Stimme ist immer noch leise und weit weg. »Vor zehn Minuten.«
»Und?«, frage ich.
Alle sehen mich an, während Francisco weiterspricht.
»Sie schicken einen Hubschrauber, der uns zum Flughafen bringt«, sagt er und läßt mit einem Seufzen die Schultern sinken. »Wir haben gesiegt.«
Ach du Scheiße, denk’ ich bloß.
Da stehen wir also in einer
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