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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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spürte, was mich hierher gebracht hatte. Niemals würde ich jenen Kuß vergessen.
    »Sarah«, sagte ich.
    Ich nahm sie in die Arme – beschirmte sie, umhüllte sie, versteckte sie vor allem und jedem –, und sie stand einfach nur da, die Hände vor dem Körper.
    Ich ließ die rechte Hand fallen und schob sie zwischen unsere Körper, unsere Bäuche, tastete und suchte Kontakt.
    Ich berührte sie. Hielt sie fest.
    »Lebwohl«, flüsterte ich.
    Sie sah zu mir auf.
    »Lebwohl«, sagte sie.
    Die Waffe hatte die Wärme ihres Körpers.
    Ich ließ sie los und drehte mich langsam zu Murdah.
    Er sprach leise in ein Handy und erwiderte meinen Blick mit seitlich geneigtem Kopf. Als er meine Miene sah, dämmerte ihm, daß etwas nicht stimmte. Er sah auf meine Hand, und sein Lächeln verflog wie Orangenschalen, die man auf der Autobahn aus dem Fenster wirft.
    »Gott behüte«, sagte eine Stimme hinter mir. Anscheinend hatte noch jemand den Revolver bemerkt. Ich konnte mich nicht vergewissern, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, Murdah in die Augen zu starren.
    »Bei uns heißt es schießen«, sagte ich.
    Murdah starrte zurück und ließ das Handy sinken.
    »Schießen«, wiederholte ich, »nicht schlagen.«
    »Was … wovon reden Sie überhaupt?«, brachte er heraus.
    Er stand da, sah den Revolver an, und das Wissen um die Waffe und die Schönheit unseres kleinen Tableaus kräuselte nach und nach das Meer der engen Hemden.
    Ich sagte: »Die Wendung lautet ›übers Ziel hinausschießen ‹. «
     

26
     
    Die Sonne trägt ihr Hütchen,
    Hipp, hipp, hipp, hurra.
    L. ARTHUR ROSE UND DOUGLAS FURBER
     
    Wir befinden uns wieder auf dem Konsulatsdach. Nur damit Sie Bescheid wissen.
    Die Sonne steckt ihren Kopf bereits über den Horizont und verdampft die Silhouetten dunkler Fliesen in einen diesigen Weißstreifen. Wenn ich das Sagen hätte, geht mir durch den Kopf, dann wäre der Helikopter jetzt schon in der Luft. Die Sonne ist so stechend grell und hoffnungslos blendend, daß er auch längst dasein könnte – fünfzig Helikopter könnten zwanzig Meter vor mir in der Sonne schweben und zuschauen, wie ich zwei Pakete aus ihrem braunen, wasserabweisenden Papier wickle.
    Nur würde ich sie natürlich hören.
    Hoffe ich.
     
    »Was wollen Sie?«, fragt Murdah.
    Er ist hinter mir, vielleicht sieben Meter weit weg. Ich habe ihn mit Handschellen an die Feuertreppe gekettet, damit ich den Haushalt erledigen kann, und das schmeckt ihm nicht. Er ist richtig außer sich.
    »Was wollen Sie?«, brüllt er.
    Ich antworte nicht, und er brüllt weiter. Eigentlich keine Worte. Zumindest keine, die ich kenne. Ich pfeife irgend etwas vor mich hin, um den Lärm zu übertönen, montiere weiter Ladestreifen A an Verriegelungswarze B und achte darauf, daß Kabel C sich nicht in Gabel D verheddert.
    »Ich will, daß Sie ihn kommen sehen«, sage ich schließlich. »Das ist alles.«
    Ich drehe mich zu ihm um, weil ich wissen will, wie schlecht es ihm geht. Sehr schlecht, und ich merke, daß mich das nicht im geringsten kratzt.
    »Sie sind verrückt«, schreit er und zerrt an den Handschellen. »Ich bin hier. Sehen Sie?« Er lacht ansatzweise, weil er meine Dämlichkeit nicht fassen kann. »Ich bin doch hier. Der Graduierte kommt nicht, solange ich hier bin.«
    Ich drehe mich wieder weg und blinzle in die niedrigstehende Sonne.
    »Das will ich hoffen, Naimh«, sage ich. »Das hoffe ich sehr. Ich hoffe, Sie haben noch mehr als eine Stimme.«
    Eine Pause entsteht, und als ich mich wieder zu ihm drehe, hat sich sein Stirnglanz zu Runzeln zusammengefaltet.
    »Stimme«, sagt er endlich leise.
    »Stimme«, bekräftige ich.
    Murdah beobachtet mich aufmerksam.
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagt er.
    Also hole ich tief Luft und versuche, es ihm zu erklären.
    »Sie sind kein Waffenhändler, Naimh«, sage ich. »Jetzt nicht mehr. Dieses Privileg habe ich Ihnen entzogen. Auf daß Gott Ihnen vergeben möge. Sie haben keinen Reichtum mehr, keine Macht, keine Verbindungen und keine Krawatte vom Garrick.« Darauf reagiert er nicht, vielleicht war er also gar kein Mitglied. »Im Moment sind Sie einfach nur ein Mensch. Wie wir alle. Und als Mensch haben Sie nur eine Stimme. Wenn überhaupt.«
    Er denkt lange nach, bevor er antwortet. Er weiß, daß ich wahnsinnig bin und daß er mich wie ein rohes Ei behandeln muß.
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagt er.
    »Doch, das wissen Sie«, sage ich. »Sie wissen bloß nicht, ob ich weiß, worauf ich

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