Bockmist
Wüste aus splittbedecktem Asphalt, Abzugsrohre der Klimaanlage spielen die Palmen, und wir warten auf Leben oder Tod. Einen Platz an der Sonne oder einen Platz in der ewigen Nacht.
Ich muß etwas sagen. Ich wollte mir schon ein paarmal Gehör verschaffen, aber meine törichten Genossen besprachen gerade, ob sie mich vom Dach werfen sollten, also hielt ich mich wohlweislich zurück. Inzwischen ist der Stand der Sonne perfekt. Gott hat sich gebückt, die Sonne aufs Tee gelegt und wühlt jetzt in der Tasche nach dem Schläger. Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht, und ich muß etwas sagen.
»Und was machen wir jetzt?«, frage ich.
Ich bekomme keine Antwort, weil es einfach keine Antwort gibt. Wir wissen natürlich alle, was wir jetzt machen wollen, aber Wollen allein genügt nicht. Zwischen die Idee und die irdischen Dinge fällt ein Schatten, das ganze Blabla. Von allen Seiten wirft man mir Blicke zu. Ich nehme sie zur Kenntnis.
»Wir hängen hier einfach rum, ja?«
»Halt die Schnauze«, sagt Benjamin.
Ich überhöre ihn. Muß ihn überhören.
»Wir sollen hier auf dem Dach auf einen Hubschrauber warten. Das haben sie gesagt?« Noch immer keine Antwort. »Haben sie zufällig auch darum gebeten, daß wir uns in einer Reihe aufstellen, mit feuerroten Kreisen um uns rum?« Schweigen. »Ich überlege ja bloß, wie wir ihnen möglichst viel Arbeit abnehmen können.«
Ich wende mich besonders an Bernhard, weil ich den Eindruck habe, daß er als einziger noch unschlüssig ist. Die anderen klammern sich an diesen Strohhalm. Sie sind aufgeregt und hoffnungsvoll, überlegen sich schon, ob sie am Fenster sitzen wollen oder nicht und ob sie wohl noch Zeit für den Duty-free-Shop haben – aber Bernhard hat genau wie ich gelegentlich in die Sonne geblinzelt, und vielleicht sagt auch er sich, daß jetzt die ideale Angriffszeit sei. Eine bessere gibt es nicht, und Bernhard fühlt sich auf dem Dach verwundbar.
Ich wende mich an Murdah.
»Sagen Sie es ihnen«, sage ich.
Er schüttelt den Kopf. Keine Weigerung. Bloß Verwirrung, Angst und noch einiges andere. Ich gehe auf ihn zu, und Benjamin spießt mit der Steyr die Luft auf.
Ich muß weitergehen.
»Sagen Sie ihnen, daß ich recht habe«, dränge ich. »Sagen Sie ihnen, wer Sie sind.«
Murdah schließt einen Moment die Augen, dann reißt er sie weit auf. Vielleicht hat er gehofft, sauber gerechte Rasenflächen und Kellner in weißen Jacketts oder die Decke eines seiner Schlafzimmer vorzufinden; als er statt dessen nur eine Handvoll verdreckter, hungriger, angsterfüllter Leute mit Maschinenpistolen sieht, sackt er gegen die Brüstung.
»Sie wissen, daß ich recht habe«, sage ich. »Sie wissen, welche Aufgabe dieser Helikopter erfüllen soll. Was er tun wird. Sie müssen es ihnen sagen.« Ich gehe noch ein Stück weiter. »Sagen Sie ihnen, was geschehen ist, und warum sie sterben müssen. Nutzen Sie Ihre Stimme.«
Aber Murdah pfeift auf dem letzten Loch. Das Kinn ist ihm auf die Brust gesunken, und seine Augen haben sich wieder geschlossen.
»Murdah …«, sage ich und stocke, weil jemand ein kurzes Zischen von sich gibt. Es stammt von Bernhard, er steht still, sieht vor sich aufs Dach und hat den Kopf auf die Seite gelegt.
»Ich höre ihn«, sagt er.
Niemand rührt sich. Alle sind vor Schrecken starr.
Dann höre ich ihn auch. Dann Latifa und Francisco.
Eine ferne Fliege in einer fernen Flasche.
Entweder hat Murdah es auch gehört, oder er glaubt, daß wir alle es hören. Er hebt das Kinn von der Brust und öffnet weit die Augen.
Aber ich kann nicht auf ihn warten. Ich gehe an die Brüstung.
»Was hast du vor?«, fragt Francisco.
»Diese Maschine wird uns töten«, sage ich.
»Sie wird uns retten, Ricky.«
»Uns töten, Francisco.«
»Du verdammtes Arschloch«, kreischt Benjamin. »Was hast du vor?«
Alle sehen mich an. Hören mir zu und sehen mich an. Weil ich mich über mein kleines Zelt aus braunem, wasserabweisendem Papier gebeugt und die Schätze darunter enthüllt habe.
Die Javelin, made in Britain, ist eine leichte, mobile Boden-Luft-Rakete, die Überschallgeschwindigkeit erreicht. Sie hat einen Zweiphasen-Feststoffantrieb und eine Reichweite zwischen fünf und sechs Kilometern, sie wiegt alles in allem sechzig Pfund und ein paar Zerquetschte, und man kriegt sie in jeder beliebigen Farbe, solange sie oliv ist.
Das Raketensystem besteht aus zwei handlichen Einheiten, dem verplombten Abschußrohr, das die eigentliche Rakete enthält, und der
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