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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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Augen auf mich. Augen, die einen erwachsenen Mann dazu bringen können, dummes Zeug zu brabbeln. Herrschaftszeiten, reiß dich zusammen!
    »Sie sind ein Lügner«, sagte sie.
    Nicht verärgert. Nicht verängstigt. Ganz nüchtern. Sie sind ein Lügner.
    »Ich geb’s zu«, sagte ich, »im allgemeinen schon. Aber in diesem speziellen Moment sage ich rein zufällig die Wahrheit.«
    Sie starrte mir weiter ins Gesicht, wie ich das manchmal nach dem Rasieren mache, aber sie schien auch nicht mehr Antworten zu bekommen als ich. Dann blinzelte sie einmal, und nach diesem Blinzeln war die Situation nicht mehr dieselbe. Etwas wurde entschärft oder abgeschaltet, zumindest aber leicht runtergedreht. Ich atmete auf.
    »Warum sollte jemand meinen Vater umbringen?« Sie sprach leiser als vorher.
    »Ehrlich, ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich habe gerade erst erfahren, daß er Nichtraucher ist.«
    Sie sprach einfach weiter, als hätte sie mich gar nicht gehört.
    »Verraten Sie mir doch«, sagte sie, »woher Sie das alles wissen, Mr Fincham.«
    Jetzt wurde es brenzlig. Richtig brenzlig. Brenzlig hoch drei.
    »Man hat mir den Auftrag angeboten«, sagte ich.
    Sie hielt die Luft an. Will sagen, sie hörte buchstäblich auf zu atmen. Und machte nicht den Eindruck, als wollte sie in nächster Zeit wieder damit anfangen.
    Ich sprach mit aller verfügbaren Gelassenheit weiter.
    »Jemand hat mir eine Menge Geld angeboten, damit ich Ihren Vater umbringe«, sagte ich, und sie runzelte ungläubig die Stirn. »Ich habe abgelehnt.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Auf gar keinen Fall.
    Wenn es Newtons Dritten Hauptsatz der Konversation gäbe, dann konstatierte er, daß jede Aussage eine gleichwertige und entgegengesetzte Aussage impliziert. Der Satz, ich hätte abgelehnt, strich die Möglichkeit heraus, ich hätte annehmen können. Was ich im Augenblick nur ungern im Raum stehen hatte.
    Aber sie fing wieder an zu atmen, also war es ihr vielleicht entgangen.
    »Warum?«
    »Warum was?«
    Ihr linkes Auge hatte einen dünnen Grünstreifen, der von der Pupille aus nach Nordosten verlief. Ich stand da, sah ihr in die Augen und versuchte, ihr nicht in die Augen zu sehen, denn im Moment saß ich schon tief genug in der Patsche. In vielerlei Hinsicht.
    »Warum haben Sie abgelehnt?«
    »Weil …«, setzte ich an und stockte, denn das durfte keinesfalls schiefgehen.
    »Ja?«
    »Weil ich keine Leute umbringe.«
    Es entstand eine Pause, in der sie das aufnahm und sich auf der Zunge zergehen ließ. Dann warf sie einen Blick auf Rayner.
    »Das hab’ ich Ihnen doch erklärt«, sagte ich. »Er hat angefangen.«
    Sie starrte mich weitere dreihundert Jahre an, und dann ging sie, anscheinend tief in Gedanken versunken, wieder zum Sofa, wobei sie die Zigarette immer noch zwischen den Fingern hin-und herdrehte.
    »Ehrlich«, sagte ich und versuchte, mich und die Situation in den Griff zu bekommen. »Ich bin ein netter Kerl. Ich spende für Oxfam, ich bringe meine Zeitungen zum Altpapier, alles.«
    Sie erreichte Rayner und blieb stehen.
    »Und wann ist das alles passiert?«
    »Na … eben grade«, stammelte ich wie der letzte Volltrottel.
    Sie schloß kurz die Augen. »Ich meine, wann sind Sie gefragt worden.«
    »Ach so«, sagte ich. »Vor zehn Tagen.«
    »Wo?«
    »Amsterdam.«
    »Holland, stimmt’s?«
    Das war eine Erleichterung. Da fühlt man sich doch gleich besser. Es ist nett, wenn die Jugend gelegentlich zu einem aufschaut. Muß ja nicht die ganze Zeit sein, gelegentlich reicht schon.
    »Genau«, sagte ich.
    »Und wer hat Ihnen diesen Auftrag angeboten?«
    »Nie gesehen. Vorher nicht und nachher auch nicht.«
    Sie bückte sich zum Glas, nippte an ihrem Calvados und zog eine Grimasse, nachdem sie ihn schmeckte.
    »Und das soll ich Ihnen abkaufen?«
    »Na ja …«
    »Ich meine, helfen Sie mir doch mal auf die Sprünge«, sagte sie und wurde wieder lauter. Sie nickte in Richtung Rayner. »Wir haben hier einen Mann, der Ihre Behauptung kaum untermauern würde, nehm’ ich an, und ich soll Ihnen glauben? Warum? Weil Sie so ein hübsches Gesicht haben?«
    Ich konnte mir nicht helfen. Ich hätte mir helfen sollen, ich weiß, aber ich konnte einfach nicht.
    »Warum nicht?« sagte ich und setzte meinen ganzen Charme aufs Spiel. »Ich würde Ihnen jedes Wort glauben.«
    Großer Fehler. Ganz großer Fehler. Eine der haarsträubendsten, lächerlichsten Bemerkungen, die mir in einem an lächerlichen Bemerkungen nicht eben armen Leben je unterlaufen sind.
    Sie

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