Bodenrausch
die ausländischen Investitionen bisher zum genauen Gegenteil und benachteiligen besonders die verwundbaren Gruppen – Arme, Ureinwohner, Kleinbauern und Hirten, Frauen, Kinder, Alte. Sie mehren die Zahl der Hungernden, statt sie zu verringern.
Folgen für die Umwelt werden in Zahlen gefasst, der nachhaltige Gebrauch von Ressourcen wird gefördert. Die Risiken negativer Auswirkungen werden abgemildert oder vermieden.
Auch diese Forderung dürfte in der Praxis folgenlos bleiben, da es in den betroffenen Ländern weder ökologische Maßstäbe noch Überwachungsbehörden gibt, geschweige denn Gerichte, bei denen Verstöße angeklagt werden könnten.
Diese Prinzipien für verantwortungsvolle landwirtschaftliche Investitionen sind bei Lichte besehen nur Sand für die Augen der Weltöffentlichkeit. Mit dieser Sammlung von Unverbindlichkeiten ist die gegenwärtige Praxis des Landraubs kaum zu bremsen, zumal bei Verstößen keinerlei Strafen drohen. Auch bereits geschlossene Verträge dürften von den Prinzipien unberührt bleiben, denn sie werden kaum rückwirkend gelten, dagegen sprechen die Kräfteverhältnisse und Interessenlagen in den Verkäuferländern. Im Gegenteil, unrechtmäßige Bodengeschäfte bekommen durch dieses System der Freiwilligkeit Bestandsschutz. Es setzt damit eine verhängnisvolle Norm für weitere Geschäfte.
Klar ist: Mit diesen Prinzipien gibt es keine Abkühlung auf dem Bodenmarkt und erst recht keine Befriedung der Enteigneten. Vielmehr wird die Kritik an der privaten Verfügungsgewalt über Grund und Boden wachsen und die Frage aufwerfen, ob das Land, das eine wachsende Weltbevölkerung ernähren soll, in Zukunft überhaupt noch dem freien Spiel der Märkte überlassen werden darf?
Die Geschichte belehrt uns, dass das Recht auf privates Eigentum an Boden keineswegs althergebracht, sondern eine relativ neue Erfindung des Menschen ist.
PRIVATEIGENTUM AUF SCHWANKENDEM GRUND
Für die frühchristlichen Kirchenväter galt, dass Gott die Natur den Menschen gemeinsam übergeben habe, damit sie allen gleichermaßen von Nutzen sei, dass mithin »von Natur« aus kein Privateigentum bestehe, sondern »allen alles gemeinsam gehöre«, wie Manfred Brocker in seinem Werk über den historischen Wandel des Eigentumsbegriffs feststellt. 4
Die natürliche Gütergemeinschaft konnte von Menschen nicht einfach aufgelöst werden. Der Mailänder Bischof Ambrosius ließ im 4. Jahrhundert seine Gemeinde wissen, dass sie von Gott befohlen und daher absolut verpflichtend sei. Privateigentum verurteilte Ambrosius als widernatürliche und widerrechtliche Aneignung, durch die Gottes Wille verletzt werde.
Privates Eigentum genießt in den Anfängen der christlichen Gemeinschaft keine Unterstützung. So müssen sich Landeigentümer peinliche Fragen stellen lassen, wie die des Johannes Chrysostomos, der zur Zeit des Ambrosius’ Bischof von Konstantinopel war: »Wenn Gott von Anfang an nicht den Einen reich und den Anderen arm geschaffen und keine Ausnahme gemacht hat, indem er dem Einen den Weg zu den Goldschätzen zeigte und den Anderen hinderte, solche aufzuspüren, sondern allen die selbe Erde zum Besitz überlassen hat; wenn also diese [Erde] ein Gemeingut aller ist, woher hast du dann so viel Tagewerk davon, dein Nachbar aber keine Scholle Land?« Und der Kirchenvater folgert: »Wenn also all unser Besitz Gott gehört, dann gehört er auch unseren Mitbrüdern im Dienste Gottes. Was Gott dem Herrn gehört, ist alles Gemeingut.« 5
In die gleiche Kerbe schlägt Basilius der Große im Jahr 368, als er den Mitgliedern seiner Gemeinde erklärt, wie es einzuordnen sei, wenn einer privates Eigentum für sich beanspruche: So jemand verhalte sich »wie einer, der im Theater einen Sitz einnähme und dann die später Eintretenden fernhielte, als sein Eigen ansehend, was allen zum gemeinsamen Gebrauche bestimmt ist. Solcher Art sind die Reichen«, poltert Basilius, »nachdem sie das Gemeineigentum vorsorglich besetzt haben, machen sie es kraft dieser Vorwegnahme zu ihrem Eigentum.« Für die Kirchenväter ist diese private Aneignung der Sündenfall schlechthin, der Ursprung von Streit und Gier nach immer mehr, also die Wurzel der Zerstörung der von Gott gewollten Gemeinschaft.
Die private Nutzung der Gaben Gottes war zu jener Zeit nur zu rechtfertigen, wenn es der Gemeinschaft unmittelbar diente und ihr zurückgezahlt wurde. Nur durch Wohltätigkeit konnte sich der private Nutzer freikaufen. Diese strikte
Weitere Kostenlose Bücher