Bodenrausch
amerikanischen Ostküste, einen massiven Einbruch der Hummerbestände in den 1930er-Jahren erlebt. Aber sie konnten ihr Schicksal durch eine Form der Selbstorganisation verbessern. Sie schlossen sich zusammen, um das Meer vor ihrer Haustür nach gemeinsamen Regeln zu befischen. Jeder Fischer bekam ein Fanggebiet zugeteilt, in dem er eine bestimmte Menge Hummer mit einer festen Anzahl von Käfigen fangen durfte. Der Fang wurde nur in einem bestimmten Hafen angelandet, sodass jeder sehen konnte, was der andere aus dem gemeinsamen Fischgrund herausholte. Auf diese Weise war die Kontrolle sichergestellt. Die Fischer konnten durch feste Fangquoten die Hummerbestände wieder stabilisieren, ihr Einkommen und damit ihre Zukunft sichern.
Das Vorgehen der Hummerfischer zeigt, dass die gemeinsam vereinbarten Regeln und ihre gemeinschaftliche Kontrolle es möglich machten, die Hummerbestände nachhaltig zu nutzen. Bei Konflikten oder Verstößen gegen die Regeln gab es Richter und Strafen, die ebenfalls von allen beschlossen und akzeptiert waren. Unter diesen Bedingungen, so Elinor Ostrom, bot die Gemeinschaft unter dem Strich mehr Chancen als die Jagd auf eigene Faust, die nicht mit, sondern gegen die anderen geführt wird und schon den Keim der Überfischung in sich trägt.
Elinor Ostrom legt dar, dass eine Gemeinschaft Vorteile daraus zieht, wenn knappe Güter auch gemeinschaftlich genutzt werden. Diese Position teilt sie mit Olivier De Schutter, dem UN-Sonderbeauftragten für das Recht auf Nahrung. Dieses Recht zu sichern, heißt in vielen Teilen der Welt auch, das Recht auf gemeinsame Landbewirtschaftung zu wahren. Besonders gegenüber den Investoren, die den Bodenrausch in Asien, Afrika und Südamerika vorantreiben.
Bereits am 28. Dezember 2009 fasste Olivier De Schutter vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen seine Prinzipien für den globalen Landerwerb zusammen. 12 Er stellte in diesem Zusammenhang nicht die radikale Frage der Kirchenväter, ob die riesigen Latifundien, die zurzeit weltweit aufgekauft werden, ein Frevel gegenüber dem christlichen Gleichheitsprinzip seien, ob es sich unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt noch rechtfertigen ließe, den immer knapper werdenden Boden in die Hände von immer weniger Investoren zu legen. Er gab sich damit zufrieden, dem Bodenrausch Zügel anzulegen, um Schlimmstes zu verhindern. De Schutter forderte mehr als nur unverbindliche Mindeststandards, wie sie von FAO und der Weltbank mit ihren »Principles for Responsible Agricultural Investment« vorgelegt wurden. Ihm ging es um Verpflichtungen, die auf Recht statt auf Gnade beruhen und vor allem die Gefährdeten schützen. 13 Dabei nahm er ausdrücklich auch die Heimatländer der Investoren mit in die Pflicht. Auch sie müssten sich für die Durchsetzung dieser Standards einsetzen.
Konkret stellte De Schutter elf Grundsätze für Investoren und Staaten auf, die die größten Schärfen des globalen Bodenrauschs abpuffern:
Bei allen Verhandlungen muss volle Transparenz für die betroffenen Gemeinschaften gesichert sein, wenn sie um den Zugang zu Land, Wasser, Wald oder anderen Quellen ihrer Existenz fürchten müssen. Regierungen müssen die langfristigen Bedürfnisse der Bevölkerung und ihre Menschenrechte im Auge behalten und prüfen, ob es Alternativen gibt, die den Menschen besser gerecht werden.
Jede Veränderung der Landnutzung muss von den örtlichen Gemeinschaften beschlossen werden, und zwar im Vorhinein. Enteignungen dürfen nur als letztes Mittel angewandt werden und nur dann, wenn sie im Sinne des Allgemeinwohls unbedingt notwendig sind und wenn der Investor für eine angemessene Entschädigung, Ersatzland und die Umsiedlung sorgt.
Um die Rechte der ländlichen Gemeinschaft und ihrer Mitglieder zu sichern, müssen die Staaten vorher die Rechte und deren Schutz garantieren. Außerdem müssen sie die Bedingungen festschreiben, unter denen Land verkauft oder verpachtet werden darf und unvermeidbare Enteignungen möglich sind. Die Staaten müssen Eigentums- und Besitzrechte entweder individuell durch Grundbücher oder durch Verträge mit den Gemeinschaften absichern.
Die lokale Bevölkerung soll von den Erträgen profitieren, die durch das Investment in ihr Land entstehen. Die Verträge mit Investoren müssen so gestaltet sein, dass sie vorrangig den Menschen vor Ort nützen. Am besten wäre es, diese als »Vertragsbauern« mit festen Abnahmepreisen und Leistungen in das Landprojekt
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