Bodin Lacht
und flitzte durch die Stadt zu seiner Mutter. Wurde in eine Zelle abgeführt. Sein Herz schlug zum Zerbersten. Er saà auf einer Pritsche. Andere Gefangene lauerten auf ihn in der Dusche, er versuchte, sich nur auf den Verkehr zu konzentrieren, die Kreuzungen, die FuÃgänger, das Stück Asphalt vor dem Rad. Er stand vor Gericht. Der Richter, die Schöffen, niemand glaubte ihm. Fuhr über Rot. Es wurden körperliche und geistige Untersuchungen an ihm durchgeführt. Er fuhr in die Allee, schmiss sein Rad auf den Vorhof der Villa, wurde abgeführt, Mama weinte und schrie, mein Sohn ist unschuldig, er klingelte Sturm, er klingelte sich nüchtern: Gleich würde er sich dem Problem stellen, aber nicht sofort, er musste es zuerst laut artikulieren, sich mit seiner Mutter beraten, denn sie hatte bestimmt einen sehr guten Anwalt unter ihren zahlreichen Beziehungen. Sie sollte von seiner Verhaftung nicht telefonisch erfahren. Er kam sich halb gerettet vor, als er, da sie die Tür nicht öffnete, mit dem eigenen Schlüssel ins Haus eindrang, betend, dass sie allein sei. Sein Gebet wurde erhört. Er traf seine Mutter mit einem Buch auf der Couch liegend, das sie bei seinem Einbruch fallen lieÃ, um ihn sofort anzuschreien: Was das für eine Art sei, ob er nicht wenigstens drei Mal klingeln könnte, wie sie es immer vereinbart hatten, bevor er hier so ungeniert hereinstürzte? SchlieÃlich sei dies ihr Zuhause solang sie lebe, nicht seins, was er sagen würde, wenn ⦠Mama!, fiel er ihr ins Wort, halte jetzt bitte, bitte den Mund und hör zu. Er erzählte in einem Zug, was ihm blühte, eine Durchsuchung, ein Verhör, vielleicht sogar eine Verhaftung. Paulas Gesicht änderte Farbe und Ausdruck, auch sie atmete schneller und Martin hoffte wie verrückt, aus ihrem halb geöffneten Mund rettende Worte zu hören, sie aber stotterte nur ein paar Wieso und Warum, ich verstehe das nicht, was fällt diesen Idioten ein? Sie stand auf und ihr türkisfarbener Schal fiel auf den Boden. Ihr Gesicht war schöner denn je, Martin konnte sich nicht dem Eindruck entziehen, dass sie in ein neues Mutter-Sohn-Spiel eingetreten waren, das sie für unsichtbare Zuschauer spielten, (erwartete sie von ihm, dass er den Schal aufhob?), Zuschauer, die an der Nase herumgeführt werden sollten, als umgekehrte Version der Verstehen-Sie-SpaÃ-Sendungen, Mutter und Sohn als Komplizen in der Schönheit des Erschrockenseins, der Mutter-Kind-Mittäterschaft, nur sie aber wussten, dass es ein Schauspiel mit oder ohne Happy End war, alles sowieso fingiert und erfunden. Wir verstecken dich, sagte sie schlieÃlich, es kommt nicht infrage, dass du verhaftet wirst, du bist unschuldig. Das waren die Worte, die er erwartet hatte, und er protestierte energisch, sicher bin ich unschuldig, sicher, aber wenn ich fliehe, riecht es nach schuldig, eine Flucht ist nichts als ein Geständnis, nein, ich muss mich verteidigen können, ja, ich werde wieder nach Hause fahren. Ich wollte nur nicht, dass du meine Verhaftung per Telefon erfährst, ich wollte dich nur ⦠Ich verstehe nichts, sagte Mama, und der Ton klang gar nicht mehr so theatralisch, wieso suchen sie nicht nach dem Typen, mit dem sich Evelyn treffen wollte? Inzwischen ist er bestimmt über alle Berge. Wie arbeiten diese Leute? Du wirst auch hier nicht abwarten, dass sie dich verhaften, sagte sie, ich rufe Tobias an, vielleicht kann er dich verstecken. Wir müssen schnell handeln, sie suchen dich nicht lange an der Uni, wenn sie dich nicht zu Hause antreffen, stehen sie in einer halben Stunde vor meiner Tür. Sie schaute auf ein Foto von Martin auf dem Kaminsims (er war damals schon fast erwachsen, sechzehn oder siebzehn, er hatte sich an einem heiÃen Tag nackt im Fischteich hingesetzt und seine Mama hatte ihn mitten zwischen den Seerosen fotografiert). Sie näherte sich dem Kamin, die Augen auf das poetische Bild gerichtet, als wollte sie daraus eine Lösung angeln oder mindestens das Abbild ihres Sohnes retten, Tobiasâ Name aber hätte nicht fallen müssen, Martin befreite sich von Mutters Hand, die sich an seinem Jackenärmel festgekrallt hatte: Bei Tobias? Bei ihm zu Hause, bei seiner betrogenen Frau? Ich gehe zur Polizei, Mama, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Suche mir bitte aber sofort einen Rechtsanwalt, der mir aus der Patsche hilft. Wieso?, lenkte plötzlich Mama ab, und ihr Augenaufschlag weckte
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