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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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in ihm ein zwielichtiges Gefühl, wieso hat dich eigentlich diese Polizistin gewarnt? Ist sie in dich verliebt? Ihre geschminkten Augen (grüner Lidschatten, sehr schwarze Wimpern) glänzten, bis in die Augenwinkel: Sogar im heikelsten Moment, sogar im Stress der Situation, erfreute sie der Gedanke, eine Frau könne sich in ihren durcheinandergeratenen Sohn verlieben und natürlich er in sie, selbst (vor Kurzem träumte sie noch für ihn von einer Pianistin!) eine kleine Polizistin mit dicker Nase und fadem Pferdeschwanz war ihr recht, um sich zu beweisen, ihr Sohn sei doch irgendwie ein Mann, also, Martin, fuhr sie fort, du kannst dich auf keinen Fall sofort stellen, sonst gibst du glatt zu, dass sie dich gewarnt hat! Dieser Satz versetzte ihm einen Stich: Mein Handy! Sein Handy hatte er auf dem Küchentisch liegen lassen und Lilianes Anruf nicht gelöscht. Ihm wurde auf einmal klar, was er für ein Trottel war. Was würde passieren, wenn sie ihn nicht antrafen und in seine Wohnung eindrangen? Die zweite Offenbarung seiner Ernüchterung war die Vision von Martinas Kleidern, insbesondere von Evelyns Kleidern im Schlafzimmerschrank. Er fühlte sich erbleichen. Ich fahre jetzt schnell nach Hause, sagte er, ich warte dort einfach auf die Kripo. Ich rufe dich nachher an und erzähle dir alles.
    Seine Mutter zu umarmen tat ihm gut. Er spürte, wie sie in seinen Armen am ganzen Leib zitterte. Nach dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße beruhigte ihre Angst seine eigene Panik. Beruhige dich, Mama, ich selbst fürchte mich nicht mehr. Ich fühle mich, nahm er sie noch auf den Arm, so gelassen wie nach einer Sitzung bei Bodin. Und seine Mutter schrie auf: Bodin! Du musst zu ihm, er wird dir helfen! Bodin? Martin erklärte ihr, dass der liebe Freund in Urlaub gefahren sei, und zwar in die Schweiz, er habe Ruhe und Abstand von seinem Psychiaterdasein gebraucht. Mamas Gesicht glühte. Ihr Gehirn funktionierte auf Hochtouren: Seinen Wohnungsschlüssel habe ich noch, ich hatte ihn verloren, dachte ich, als ich ihn Jürgen zurückgeben wollte, und dann doch wiedergefunden, aber dann wieder glatt vergessen. Für Martin war es nicht an der Zeit nachzuforschen, ob sie den Schüssel in ihrer neuen Gleichgültigkeit Bodin gegenüber wirklich vergessen hatte oder ob sie ihn aus irgendeinem obskuren Grund behalten wollte, er lehnte Bodins Schlüssel entschieden ab, Paula aber wühlte schon in einer Schublade und steckte ihn ihm in die Tasche. Du musst keinen Gebrauch davon machen, wenn du nicht willst. Lass so oder so von dir hören, mein Kind. Geh! Im Feuer des Geschehens erschien Paula wieder verjüngt. Sie trug ein neues Kleid, smaragdgrün, und ihre weiße doppelreihige Perlenkette glänzte freudig im Dekolleté. Sie tänzelte auf ebenfalls smaragdgrünen Eskarpins zu Tür, schob ihn praktisch hinaus, keine Sorge, mein Kind, wir finden den Schuldigen, Martin, mein Schatz, ruf mich an. Bald bist du aus dem Schneider. Mach es dir gemütlich bei Bodin. Trink aber nicht seinen ganzen Weinvorrat. Er überhörte das Gekünstelte in ihrer Stimme nicht und war dankbar für diese Ängste und Aufregung. Bevor er auf sein Fahrrad stieg, drehte er sich noch einmal um: Mama, hat dir Evelyn damals wirklich nicht gesagt, wen sie treffen wollte? Nein, hat sie nicht, sagte Paula und hatte jetzt Tränen in den Augen. Es tut mir so leid, geh jetzt, Martin, verlier keine Zeit.
    Es war in der Tat auch nicht der richtige Augenblick für Vorwürfe.
    Als er geschwind nach Hause radelte, bat er die ganze Zeit einen Gott, der wie eine riesige Otta seine Schwingen über ihn ausbreiten möge, ihm zu helfen, die Kripoleute anzuhalten, mindestens bis er nach Hause zurückkam und Lilianes Anruf gelöscht hätte, und auch bis er Evelyns Kleider in dem Container des Hochhauses hätte verschwinden lassen.

FELD 40: HINTERM BERG
    Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Nicht geheuer muß es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewühle
Bei der Brücke, nach dem Feld!
Horch! das Feuerglöckchen gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle
    E DUARD M ÖRIKE, Der Feuerreiter
    Auf einmal hatte sich der Himmel verfinstert. Steile, verschneite Hänge hoben sich vom blauen Himmel ab. Dunkle Holzhäuser drängten sich aneinander. Wie konnte Christine in dieser gottverlorenen Gegend ausgeglichen

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