Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
Vom Netzwerk:
wegblickte, sie selbst saß hinten und neben ihr Jurek-der-Schleimer. Andreas warf ihr ständig ironische Blicke im Rückspiegel zu. Sollte er nur. Sie wich den Blicken nicht aus, gab sich ruhig und gleichgültig. Jurek-der-Schleimer versuchte ständig, Andreas’ Aufmerksamkeit zu erwecken, stellte vom Kaugummikauen aufgeweichte Fragen, erkundigte sich schmatzend über das, was er selber schon wusste, stellte am laufenden Band seine dumme Eifrigkeit unter Beweis. Beinahe komisch wäre seine Art, den Mund ständig zu einem bewundernden Ha oder Ah aufzumachen, zwei Silben, auf die er seine Kriecher-Karriere zu stützen dachte, wäre es Liliane nach Lachen zumute gewesen. Was sich augenblicklich in ihrem Kopf abspielte (Groll, Hass und so weiter), sollte sie lieber ignorieren, Introspektion war jetzt fehl am Platz, sie sollte nur das denken und das tun, was zu denken und zu tun war. Vor zehn Minuten hatte sie den Verdächtigen angerufen und damit einen schweren beruflichen Fehler begangen. War sie denn so überzeugt von Martins Unschuld? So überzeugt, dass der berüchtigte Unbekannte aus dem Roten Ofen Evelyns Folterer und Mörder war, und das nur, weil sie den Zwitter mochte, oder weil sie Andreas eins auswischen wollte, oder weil ihr Beruf sie zurzeit ankotzte, oder weil sie, ach ja, doch eine Art Seelenverwandtschaft mit dem dünnhäutigen Martin spürte (war er das, dünnhäutig?), und weil sie sich so gut in ihn einfühlen konnte (konnte sie das wirklich und was war das für eine Entschuldigung?)? Oder wollte sie ihm Zeit geben, Spuren von Evelyn zu beseitigen? Falls er. Falls sie. Nein, sie war von seiner Unschuld überzeugt (warum? Weil er mit seinem Minischwanz niemanden vergewaltigen konnte?), nein, nein, nein, sie wollte ihm nur die Zeit lassen, sich innerlich vorzubereiten, und weil sie das Böse in Andreas ähnlich wie in Evelyns Mörder spürte (was total übertrieben von ihr war, sie sollte sich wegen dieses Vergleichs schämen), oder weil sie ein Foto vor den Augen drehte und umdrehte, ein Bild der gefesselten Evelyn, das sich aufgrund einer metamorphischen Bewegung plötzlich in ein Selbstbildnis verwandelte? Ja, sie selbst lag nackt und gedemütigt in dem Bild, das sie seit dem Mord am See immer wieder abrief. Lächerlich. Sie würde, falls Martin noch zu Hause war, ihm gleichgültig gegenüberstehen, Herr Vanderbeke, wir haben einen Durchsuchungsbeschluss, hier, bitte, der Beschluss, wir möchten Sie bitten, uns ins Präsidium zu begleiten, ja nur für ein paar Fragen, die wir noch klären müssen, ziehen Sie, bitte, etwas an. Diese Rückspiegelblicke von Andreas wurden langsam unerträglich. Sie seufzte genervt, was Andreas ein Lächeln entlockte. Sie drehte und riss schließlich an ihrem Hemd einen Knopf ab, der schon vorher lose hing, und steckte ihn in die Hosentasche. Sie würde den Knopf nie mehr annähen. Die Geduld, einen Nähfaden durch ein Nadelöhr zu führen, hatte sie längst nicht mehr. Sie konnte ihn genauso gut wegwerfen oder weiterreichen, zum Beispiel ihn in der Tasche ihres linken Nachbarn verschwinden lassen, des Speichelleckers. Und ihn später wegen eines Vergewaltigungsversuchs anklagen.
    Die Eingangstür des Wohnhauses stand offen. Sie fuhren Aufzug. Richter Lange schwieg noch immer. Sie drückten auf die Klingel und niemand öffnete, sie klingelten Sturm und Andreas und der blöde Praktikant inszenierten die zigmal gespielte Fernsehkrimiszene, der Arschkriecher geriet in Ekstase, beide Sheriffs standen an den Türseiten mit ihren Revolvern, als ginge es um die Verhaftung eines gemeingefährlichen Kriminellen und nicht um eine Durchsuchung, es gab doch keine Gefahr im Verzug. Wie lächerlich! Andreas blinzelte dem Praktikanten Jurek zu: Also tun wir so als ob. Andreas lachte und steckte die Waffe ein. Seid ihr beide bescheuert? Reg dich nicht auf, ich übe nur für den Ernstfall mit Jurek. Mehr nicht. Sie spürte, dass Andreas nicht recht wusste, was jetzt zu tun war, nur sollte sie ihn nicht vor Jurek und vor dem stummen Doktor Lange blamieren. Sie lachte leise, als fände sie die beiden witzig. Sucht den Hausmeister, besorgt einen Schlüssel, sagte endlich der Doktor Lange, ihr seid mir welche! Es dauerte keine zehn Minuten, bis sie alle im Flur der Wohnung standen und sich in den zwei Zimmern plus Bad umsehen konnten. Liliane hatte sofort Martins

Weitere Kostenlose Bücher