Böse Dinge geschehen
entdeckte Loogan seine beiden Umschläge, jeder war an der Seite aufgeschlitzt worden.
»Ich habe darauf gewartet, dass Sie vorbeikommen«, sagte der Mann im blauen Anzug. »Es war clever, Ihren Namen wegzulassen. Das hat mein Interesse geweckt.«
Er warf seinen Hut auf einen Aktenschrank. Loogan sagte nichts.
»Ist das noch mal die Gleiche oder eine Neue?«
Loogan sah auf den Umschlag in seinem Schoß und sagte: »Die Gleiche. Ich habe sie noch an ein paar Stellen verbessert.«
»Sie sollten aufpassen. Wenn sie noch besser wird, kann ich sie nicht mehr veröffentlichen.« Der Mann nahm nun an seinem Schreibtisch Platz. »Der Grund dafür, dass ich auf Sie gewartet habe, ist – ich wollte Ihnen ein Angebot machen. Ich möchte, dass Sie für mich arbeiten.«
Das hatte er nicht erwartet. Loogan runzelte die Stirn.
»Eigentlich bin ich gar kein Schriftsteller.«
»Noch einen Schriftsteller brauche ich auch gar nicht. Mit Schriftstellern kann ich die Wände tapezieren, die nagen mir die Leitungen durch. Ich brauche einen Lektor.«
|15| Loogan rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Ich glaube nicht, dass ich dafür qualifiziert bin. Ich habe dafür gar keine Ausbildung.«
»Die hat doch niemand«, sagte der Mann. »Die Leute studieren doch gar nicht für so etwas. Niemand hat vor, Lektor zu werden. Das ist etwas, das einem widerfährt, wie Gelbsucht oder ein Sturz in den Brunnen.« Er zeigte auf Loogans Umschlag. »Mir gefällt das, was Sie da gemacht haben«, sagte er. »Bei jeder neuen Fassung kann man erkennen, dass sie noch besser ist. Die Frage ist, ob Ihnen das auch bei Geschichten von anderen gelingt?«
Loogan blickte zum Fenster hinüber, wo das Zwielicht allmählich dunkler wurde. Das ist kein Problem, dachte er. Man kann immer noch einen Rückzieher machen.
»Das könnte ich wohl«, hörte er sich sagen, »aber ich suche keinen Job. Ich weiß gar nicht, wie ich es finden soll, jeden Morgen ins Büro kommen zu müssen.«
Der Mann im blauen Anzug lehnte sich zurück. »Das müssen Sie auch gar nicht. Sie können von zu Hause aus arbeiten. Sie müssen sich nicht an bestimmte Bürozeiten halten. Aber eins müssen Sie machen.«
»Was denn?«
»Sie müssen mir Ihren Namen sagen.«
Einen Augenblick des Zögerns. Dann: »David Loogan.«
»Tom Kristoll.«
|16| 2
Tom Kristoll besaß ein Haus auf einem bewaldeten Hügel mit Blick auf den Huron River. Es war ein ausgedehntes Gebäude mit dicken Holzbalken und Panoramafenstern. Das Dach war mit Schindeln gedeckt, und von der mit Steinplatten gepflasterten Terrasse führte eine breite Steintreppe zu einem Pool hinunter.
An Sommerwochenenden gab Kristoll Partys für die Redaktionsmitglieder und Autoren von
Gray Streets
. Als Loogan das erste Mal eingeladen wurde, beschloss er, nicht hinzugehen, aber Kristoll rief ihn am frühen Nachmittag an. Sie hätten alles, was sie für ein Barbecue bräuchten, sagte Kristoll, bloß keine Barbecue-Sauce. Ob Loogan wohl auf dem Weg eine besorgen könnte? Loogan konnte und tat es auch. Als er ankam, war Kristoll, der von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet war, damit beschäftigt, die Vorbereitungen für das Grillen zu überwachen. Kristolls Frau schimpfte mit ihm, weil er ihrem Gast gleich einen Auftrag angehängt hatte. Sie kümmerte sich um Loogan, zeigte ihm das ganze Haus und stellte ihn auch gleich einer Reihe von Schriftstellern und Praktikanten vor.
»Das ist David Loogan«, sagte sie, »Toms neuer Lektor.«
Laura Kristoll trug eine Seidenbluse und eine Dreiviertelhose. Sie war adrett und blond und hatte einen Abschluss in englischer Literatur, was sie auch an der Universität unterrichtete. Die meisten Praktikanten waren Studenten von ihr. Sie achtete darauf, dass Loogan immer etwas zu trinken hatte. Sie bot ihm Handtücher und eine Badehose an, falls er in den Pool gehen wollte. Als er zum Waldrand schlenderte, um etwas Abstand von den Leuten zu gewinnen, ließ sie ihn allein.
|17| Als er dann später aufbrach, kam sie zu ihm her und sagte leise: »David, ich fürchte, Sie haben sich nicht so gut amüsiert.«
»Doch, doch, das habe ich«, erwiderte er.
»Dann kommen Sie also wieder?«
»Natürlich«, sagte er, obwohl er das gar nicht vorgehabt hatte.
Den ganzen Sommer über erhielt Loogan regelmäßig Lektoratsaufträge von Tom Kristoll. Er arbeitete gleichzeitig an mehreren Geschichten, und bald war sein gemietetes Haus von Manuskripten übersät, die Seiten voller Korrekturen in seiner feinen,
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