Böse Dinge geschehen
sauberen Handschrift.
Im Juli rief ihn Kristoll eines Abends an und bat ihn, sich mit ihm auf einen Drink in der Stadt zu treffen. Loogan fuhr zu einem Restaurant in der Innenstadt, und eine Kellnerin führte ihn zu einer Nische, die mit dunklem Holz getäfelt war und von einer Glühbirne in einer stahlgrauen Fassung erleuchtet wurde. Kristoll hatte ein Glas Scotch für ihn bestellt.
»Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass Sie einfach herkommen«, sagte Kristoll. »Ich dachte, ich müsste Sie hierher schleifen. Ich hatte alles schon ausgearbeitet, inklusive der Dialoge. ›Wenn ich Ihnen schon einen Drink anbiete, dann nehmen Sie gefälligst auch den Drink und sagen schön Danke‹, wollte ich schon sagen.«
Loogan gab sich betont entspannt. Er setzte sich seitlich hin, mit dem Rücken zur Wand, sein linkes Bein hatte er gebeugt, das andere an dem gepolsterten Sitz entlang gestreckt.
»Sie sind ein einsilbiger Mann«, sagte Kristoll, »aber ich mag einsilbige Männer genauso wie alle anderen. Ich werde Sie nicht zwingen, mir Ihre Geheimnisse zu verraten.«
»Ich habe keine Geheimnisse, Tom. Sie können mich alles fragen.«
»Na gut. Wo kommen Sie her?«
»Aus Portland.«
»Wie lange leben Sie schon in Ann Arbor?«
|18| »Seit vier Monaten.«
»Und was haben Sie gemacht, bevor ich Sie eingestellt habe?« »Was für eine Arbeit?«
»Ja, was für eine Arbeit?«
»Ich war beim Zirkus.«
»Muss ich eigens darauf hinweisen, dass Ann Arbor keinen Zirkus hat?«
»Das war nicht in Ann Arbor«, sagte Loogan. »Das war, bevor ich hierherkam.«
»Sie sind also vom Zirkus weggerannt und nach Ann Arbor gekommen?«
»Mehr oder weniger.«
»Eine Menge Leute machen es genau umgekehrt. Was haben Sie denn im Zirkus gemacht?«
»Ich war Jongleur.«
»Hat es irgendeinen Sinn, dieses Gespräch fortzusetzen?«, fragte Kristoll.
»Rufen Sie die Kellnerin, Tom. Lassen Sie sich ein paar Brötchen von ihr bringen. Ich beweise es Ihnen.«
»Und Ihre Heimatstadt Portland. Ist das das Portland in Oregon oder das in Maine?«
»Welches gefällt Ihnen denn besser?«
Kristoll lachte leise und beschäftigte sich mit seinem Drink. Loogan streckte die Hand aus und setzte den Stahlschirm der Lampe über dem Tisch leicht in Bewegung. Nach einer Weile brachte ihnen die Kellnerin neue Gläser, und sie redeten über andere Themen: über die Qualität der Autoren von
Gray Streets
, über Schriftsteller im Allgemeinen, über die Hitze des Sommers in Michigan.
Es war ein anregendes Gespräch, und ihm folgten weitere an anderen Abenden in derselben Nische oder in Kristolls Büro. Einmal tauchte Kristoll unangekündigt bei Loogan in seinem gemieteten Haus auf. »Sagen Sie mir, ich soll zum Teufel gehen, David, wenn Sie nicht wollen, dass ich reinkomme«, sagte Kristoll. » |19| Kommen Sie rein, na klar«, sagte Loogan. Kristoll musterte die Möbel im Wohnzimmer, den gemauerten Kamin. Er bewunderte einige der Gemälde und Drucke an den Wänden. »Nichts davon gehört mir«, sagte Loogan.
»Natürlich«, sagte Kristoll.
Anders als Loogan hatte Kristoll keine Hemmungen, über sich selbst zu sprechen. Er war in einem bürgerlichen Vorort von Detroit aufgewachsen und nach Ann Arbor gezogen, um an der University of Michigan zu studieren. Dort hatte er seine Frau kennengelernt, und mit einer kleinen Gruppe von Freunden hatten sie
Gray Streets
als eine Studentenzeitschrift gegründet. Vier Jahre lang lief sie ganz erfolgreich, sackte dann aber ab, als Kristoll und seine Frau an andere Universitäten gingen, um ihr Studium abzuschließen. Als Laura Kristoll nach Ann Arbor zurückkehrte, um an der Universität zu unterrichten, begann Tom Kristoll, die Zeitschrift wiederzubeleben, und entwand sie sanft den Händen der Studenten, die sie übernommen hatten.
In den Jahren, die seither vergangen waren, war die Verbreitung der Zeitschrift beachtlich gestiegen, und der Aufstieg des Internets hatte ihr eine zusätzliche Leserschaft beschert. Kristoll hatte die ursprüngliche
Gray Streets- Website
selbst entworfen, um Storys aus Ausgaben, die vergriffen waren, zu neuem Leben zu verhelfen. Blogger hatten die Website entdeckt und schrieben über sie. Sie wurde in Zeitschriftenartikeln über elektronisches Publizieren erwähnt. Inzwischen lasen mehr Menschen
Gray Streets
im Internet, als die gedruckte Zeitschrift je erreicht hatte.
»Ich werde Ihnen jetzt ein Geheimnis verraten«, sagte Kristoll eines Abends zu Loogan. In seinem Büro stand das Fenster
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