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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Lebzeiten antichambriert und darum gebettelt, aus Gnade und Barmherzigkeit zu meinen Bällen eingeladen zu werden. Und sie saß manchmal die ganze Nacht in ihrer Ecke, ohne auch nur einmal zu tanzen, mit ihrer Türkisfliege auf der Stirn. Bis ich ihr nach zwei Uhr aus Mitleid den ersten Kavalier schickte. Sie war damals schon fünfundzwanzig, wurde aber immer noch wie ein kleines Mädchen mit kurzem Röckchen ausgeführt. Es wurde langsam peinlich, sie überhaupt zu empfangen.«
    »Ich sehe diese Fliege förmlich vor mir.«
    »Ich sage Ihnen, ich kam dort an und stieß sofort auf eine Intrige. Sie haben doch vorhin den Brief der Drosdowa gelesen, was könnte klarer sein? Und was finde ich vor? Diese dumme Gans, die Drosdowa – sie ist immer eine dumme Gans gewesen –, sieht mich auf einmal ahnungslos an: Warum ich, sozusagen, eigentlich gekommen sei? Sie können sich vorstellen, wie erstaunt ich war! Und schon sehe ich, das ist die Lembke und sind ihre Winkelzüge, und in ihrer Begleitung ist dieser Cousin, der Neffe des alten Drosdow – mir war alles klar! Selbstverständlich habe ich sofort alles ins Lot gebracht, Praskowja ist wieder auf meiner Seite, aber diese Intrige, diese Intrige!«
    »Die Sie doch durchkreuzt haben. Oh, Sie sind ein Bismarck!«
    »Ohne ein Bismarck zu sein, bin ich imstande, Falschheit und Dummheit zu erkennen, wo immer ich ihnen begegne. Die Lembke ist die Falschheit und Praskowja – die Dummheit. Selten habe ich eine so schlaffe Person gesehen, noch dazu geschwollene Beine und noch dazu ein gutes Herz. Gibt es etwas Dümmeres als ein dummes gutes Schaf?«
    »Ein dummes böses Schaf, ma bonne amie, ein dummes böses Schaf ist noch dümmer«, opponierte Stepan Trofimowitsch großmütig.
    »Vielleicht haben Sie recht, Sie erinnern sich doch an Lisa?«
    » Charmante enfant !«
    »Aber jetzt nicht mehr enfant, sondern eine junge Frau, und zwar eine junge Frau mit Charakter. Hochsinnig und feurig, außerdem gefällt es mir, daß sie sich ihrer Mutter nicht fügt, dieser vertrauensseligen dummen Gans. Wegen dieses Cousins ist es um ein Haar zu einer regelrechten Affaire gekommen.«
    »Ach ja, in der Tat, er ist ja mit Lisaweta Nikolajewna überhaupt nicht verwandt … Hat er denn Absichten?«
    »Sehen Sie, er ist ein junger Offizier, nicht sehr gesprächig, sogar bescheiden. Ich wünsche immer, gerecht zu sein. Ich glaube, daß er selbst gegen diese ganze Intrige ist und keinerlei Absichten hat und daß es nur die Lembke war mit ihren Winkelzügen. Er hat Nicolas die höchste Achtung entgegengebracht. Sie verstehen, alles hängt von Lisa ab. Aber bei meiner Abreise war ihr Verhältnis zu Nicolas das allerbeste, und er hat mir zugesichert, auf jeden Fall im November zu uns zu kommen. Also, es ist einzig und allein die Intrige der Lembke, und Praskowja ist einfach blind. Plötzlich sagt sie mir doch, daß alle meine Verdächtigungen reine Einbildung seien; darauf antwortete ich ihr ins Gesicht, sie sei eine dumme Gans. Und ich bin bereit, das beim Jüngsten Gericht zu wiederholen. Und wenn mich Nicolas nicht gebeten hätte, einstweilen alles auf sich beruhen zu lassen, wäre ich nicht abgereist, ohne dieser falschen Person die Maske herunterzureißen. Sie hat sich dank Nicolas’ Vermittlung beim Grafen K. eingeschmeichelt, sie wollte Mutter und Sohn entzweien. Aber Lisa ist auf unserer Seite, und mit Praskowja bin ich einig geworden. Sie wissen doch, daß Karmasinow mit ihr verwandt ist?«
    »Wie? Verwandt mit Madame von Lembke?«
    »Aber ja. Entfernt.«
    »Karmasinow, der Novellist?«
    »Aber ja, der Schriftsteller, was ist daran so erstaunlich? Natürlich hält er sich für eine Größe. Diese aufgeblasene Kreatur! Sie will mit ihm zusammen hierherkommen, und jetzt macht sie dort mit ihm Staat. Sie möchte hier irgend etwas einführen, irgendwelche literarischen Abende. Er bleibt einen Monat, er möchte sein letztes Gut verkaufen. Beinahe wäre ich in der Schweiz mit ihm zusammengetroffen, das wäre mir gar nicht recht gewesen. Ich hoffe übrigens, daß er die Güte haben wird, mich gnädigst wiederzuerkennen. In alten Zeiten hat er mit mir korrespondiert und in meinem Haus verkehrt. Ich wünschte, Sie wären sorgfältiger gekleidet, Stepan Trofimowitsch; mit jedem Tag sehen Sie nachlässiger aus … Oh, wie Sie mich quälen! Was lesen Sie im Augenblick?«
    »Ich … ich …«
    »Ich verstehe. Immer noch dieselben Freunde, immer noch Gelage, der Club, die Karten und der Ruf eines

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