Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
drei Töchter des Grafen waren alle im heiratsfähigen Alter.)
»Aus Lisaweta mit ihrem stolzen und widerspenstigen Charakter konnte ich nichts herausbekommen«, schloß Praskowja Iwanowna ihren Bericht, »aber ich habe mit eigenen Augen gesehen, daß zwischen ihr und Nikolaj Wsewolodowitsch etwas vorgefallen ist. Ich kenne die Gründe nicht, aber es kommt mir so vor, als ob Sie, meine liebe Warwara Petrowna, Ihre Darja Pawlowna nach diesen Gründen fragen sollten. Ich glaube, man hat Lisa gekränkt. Ich bin heilfroh, daß ich Ihnen Ihre Favoritin zurückbringen und endlich Ihren Händen übergeben kann: die Sorge bin ich los.«
Diese giftigen Worte wurden mit bemerkenswerter Gereiztheit geäußert. Offensichtlich hatte die »schlaffe Person« sie sich schon vorher zurechtgelegt und ihre Wirkung im voraus ausgekostet. Aber Warwara Petrowna war nicht jemand, der sich durch Gemütsausbrüche und Rätsel aus der Fassung bringen ließ. Mit aller Strenge bestand sie auf erschöpfenden und befriedigenden Erklärungen. Praskowja Iwanowna änderte sofort ihren Ton und endete sogar damit, daß sie in Tränen ausbrach und Warwara Petrowna ihrer innigsten Freundschaft versicherte. Diese reizbare, aber sentimentale Dame war, ebenso wie Stepan Trofimowitsch, beständig auf wahre Freundschaft angewiesen, und der größte Vorwurf, den sie ihrer Tochter Lisaweta Nikolajewna machte, bestand darin, daß ihre »Tochter nicht ihre Freundin« sei.
Aber aus allen ihren Erklärungen und Beteuerungen ließ sich mit Sicherheit nur das eine entnehmen, daß es zwischen Lisa und Nicolas zu einem Zerwürfnis gekommen war, aber welcher Art dieses Zerwürfnis war – darüber hatte Praskowja Iwanowna sich offensichtlich kein rechtes Bild zu machen vermocht. Die Vorwürfe jedoch, die sie gegen Darja Pawlowna erhoben hatte, wollte sie zum Schluß nicht nur gänzlich zurücknehmen, sondern bat sogar ausdrücklich darum, ihren Worten von vorhin keinerlei Bedeutung beizumessen, weil sie »in Gereiztheit« geredet habe. Kurz, alles war sehr unklar, sogar verdächtig. Nach ihren Erzählungen war der Grund des Zerwürfnisses Lisas »widerspenstiger« und »spöttischer« Charakter; und der »stolze Nikolaj Wsewolodowitsch war zwar sehr verliebt, konnte aber ihren Spott nicht ertragen und spottete seinerseits über sie«.
»Bald darauf machten wir die Bekanntschaft eines jungen Mannes, ich glaube, eines Neffen von Ihrem Professor, er führt auch denselben Familiennamen …«
»Sein Sohn und nicht sein Neffe«, berichtigte Warwara Petrowna. Praskowja Iwanowna hatte sich schon früher Stepan Trofimowitschs Familiennamen nicht merken können und ihn immer »Professor« genannt.
»Meinetwegen, dann eben sein Sohn, um so besser, auch das soll mir recht sein. Ein ganz normaler junger Mann, sehr lebhaft und ungezwungen, aber überhaupt nichts Besonderes. Und da hat Lisa selbst sich nicht richtig benommen, sie bevorzugte diesen jungen Mann in der Absicht, Nikolaj Wsewolodowitsch eifersüchtig zu machen. Ich finde das nicht besonders schlimm: junge Mädchen sind eben so, so etwas ist gang und gäbe und sogar nett. Nikolaj Wsewolodowitsch freundete sich, ganz im Gegenteil, mit dem jungen Mann an, statt eifersüchtig zu werden, als ob er nichts merkte oder als ob es ihm egal wäre. Und gerade das brachte Lisa außer sich. Der junge Mann reiste bald ab (er war in großer Eile), und Lisa begann bei jeder Gelegenheit mit Nikolaj Wsewolodowitsch Streit zu suchen. Als sie bemerkte, daß er sich manchmal mit Dascha unterhielt, geriet sie vollends außer sich, sogar für mich, meine Liebe, war es nicht mehr auszuhalten. Die Ärzte hatten mir verboten, mich aufzuregen, und von diesem vielgerühmten See hatte ich auch mehr als genug, nichts als Zahnschmerzen habe ich bekommen, einen schlimmen Rheumatismus habe ich mir dort geholt. Jetzt schreiben sie sogar in den Zeitungen, daß man vom Genfer See Zahnschmerzen bekommt, das ist nun einmal das Besondere an ihm. Da erhielt Nikolaj Wsewolodowitsch plötzlich einen Brief von der Gräfin und reiste sofort ab, an einem einzigen Tag traf er alle Vorbereitungen. Beim Abschied taten sie sehr freundschaftlich, und auch Lisa war plötzlich sehr lustig und unbeschwert und hat viel gelacht. Aber das alles war nur Schein. Kaum war er abgereist, wurde sie sehr nachdenklich, sprach nie mehr von ihm und erlaubte es auch mir nicht. Auch Ihnen, liebe Warwara Petrowna, möchte ich raten, vor Lisa von diesem Gegenstand ja nicht
Weitere Kostenlose Bücher