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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Sie brauchen sich nicht zu fürchten! Erkennen Sie mich denn nicht?« redete Nikolaj Wsewolodowitsch ihr zu, konnte sie aber diesmal lange nicht beruhigen; sie sah ihn stumm an, mit demselben qualvollen Zweifel, dem mühsamen Gedanken in ihrem armen Kopf, und demselben Bemühen, irgend etwas zu verstehen. Bald schlug sie die Augen nieder, bald streifte sie ihn mit einem schnellen, prüfenden Blick. Endlich schien sie, wenn auch nicht sich zu beruhigen, so doch irgendeinen Entschluß gefaßt zu haben.
    »Nehmen Sie Platz, ich bitte Sie, hier, an meiner Seite, damit ich Sie dann richtig sehen kann«, sagte sie mit ziemlich fester Stimme, offensichtlich mit einer neuen Absicht. »Jetzt aber seien Sie unbesorgt, ich möchte Sie von mir aus nicht ansehen, sondern werde auf den Boden schauen. Und Sie dürfen mich auch nicht ansehen, so lange nicht, bis ich es Ihnen erlaube. So nehmen Sie doch Platz«, wiederholte sie, sogar mit einiger Ungeduld.
    Sie wurde zusehends von einem neuen Gefühl überwältigt.
    Nikolaj Wsewolodowitsch setzte sich und wartete; darauf trat ein ziemlich langes Schweigen ein.
    »Hm! Das alles mutet mich sonderbar an«, murmelte sie plötzlich beinahe widerwillig. »Natürlich werde ich von bösen Träumen heimgesucht; aber warum sind Sie mir genau in dieser Gestalt erschienen?«
    »Schon gut, lassen wir die Träume«, sagte er ungeduldig und wandte sich trotz des Verbotes ihr zu, und vielleicht blitzte der Ausdruck von vorhin in seinen Augen auf. Er sah, daß sie ihn einige Male gern, sogar sehr gern angesehen hätte, sich aber standhaft beherrschte und den Blick gesenkt hielt.
    »Hören Sie, Fürst«, sagte sie plötzlich mit erhobener Stimme, »hören Sie, Fürst …«
    »Warum wenden Sie sich ab, warum sehen Sie mich nicht an, was soll diese Komödie?« rief er ungeduldig.
    Aber sie schien es zu überhören.
    »Hören Sie, Fürst«, wiederholte sie zum dritten Mal mit fester Stimme und einem unangenehm gespannten Gesichtsausdruck. »Als Sie mir damals in der Kutsche sagten, daß die Ehe bekanntgemacht wird, bin ich sofort erschrocken, daß das Geheimnis ein Ende haben wird. Und jetzt bin ich unschlüssig; ich habe überlegt und sehe ganz klar, daß ich nicht tauge, ganz und gar nicht. Mich fein anziehen, das kann ich, und Gäste empfangen, das kann ich wohl auch: Was ist schon dabei, zu einer Tasse Tee zu bitten, besonders wenn man Lakaien hat! Aber es kommt doch darauf an, was die Leute dazu sagen. Ich habe damals, am Sonntag, manches in diesem Haus gesehen. Das hübsche Fräulein hat mich nicht aus den Augen gelassen, besonders nachdem Sie eingetreten waren. Sie waren es doch damals, der hereinkam, nicht wahr? Die Mutter dieses Fräuleins ist einfach eine komische Alte aus der großen Welt. Mein Lebjadkin war auch wunderbar; ich habe, um nicht laut zu lachen, die ganze Zeit die Decke betrachtet, die Decke dort ist wunderschön bemalt. Seine Mutter sollte eigentlich eine Äbtissin sein: Ich fürchte mich vor ihr, auch wenn sie mir den schwarzen Schal geschenkt hat. Wahrscheinlich haben sie alle mir nur Überraschung attestiert; ich nehme es ihnen nicht übel. Ich saß damals einfach da und dachte: Was bin ich schon für eine Verwandte? Freilich, von einer Gräfin erwartet man nur seelische Eigenschaften – denn für die hausfraulichen hat sie die vielen Lakaien – und dann noch so eine vornehme Koketterie, um ausländische Reisende empfangen zu können. Und trotzdem haben sie mich damals, am Sonntag, hoffnungslos angesehen. Nur Dascha ist ein Engel. Ich habe große Sorgen, daß sie ihn traurig gemacht haben durch eine unvorsichtige Meinung über mich.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, und haben Sie keine Angst.« Nikolaj Wsewolodowitsch verzog den Mund.
    »Übrigens wird es mir gar nichts ausmachen, wenn er sich meinetwegen ein bißchen schämt, denn das Mitleid ist immer größer als die Scham, je nach dem Menschen natürlich. Er weiß es ja, daß ich eher mit ihnen Mitleid haben könnte als sie mit mir.«
    »Es scheint, als fühlten Sie sich von ihnen sehr gekränkt, Marja Timofejewna?«
    »Wer? Ich? O nein!« sagte sie mit einem naiven Lächeln. »Nicht im geringsten. Ich habe euch alle damals nur so angeschaut: alle sind verärgert, alle miteinander verzankt; kommen sie zusammen, kann keiner von Herzen lachen. So viel Reichtum und so wenig Frohsinn – es ekelt mich. Jetzt übrigens tut mir keiner mehr leid, nur ich tue mir leid.«
    »Ich habe gehört, daß Sie es mit Ihrem Bruder

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