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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Stecken hat, oder … er hat überhaupt keine Angst und will mir nur einen Wink geben, daß ich alle anderen anzeigen soll! O weh, Lebjadkin, das ist eine schlimme Geschichte, daß du ja keinen Bock schießt! …”
    Er war so sehr in seine Gedanken versunken, daß er sogar vergaß zu horchen. Übrigens war es auch nicht möglich; die Tür war massiv, einflügelig, und es wurde nur ganz leise gesprochen; es waren nur undeutliche Laute zu hören. Der Hauptmann spuckte sogar aus und trat wieder hinaus, immer noch in Gedanken versunken, um vor der Tür vor sich hin zu pfeifen.
    III
    MARJA Timofejewnas Zimmer war doppelt so groß wie das erste, das der Hauptmann bewohnte, und mit den gleichen plumpen Möbeln eingerichtet; aber auf dem Tisch vor dem Sofa lag ein buntes hübsches Tischtuch; eine Lampe brannte darauf. Der ganze Fußboden war mit einem wunderschönen Teppich bedeckt; das Bett war durch einen langen, sich durchs ganze Zimmer ziehenden grünen Vorhang abgetrennt, und außerdem befand sich neben dem Tisch ein großer gepolsterter Lehnstuhl, in dem Marja Timofejewna allerdings niemals saß. In der Ecke, ganz wie in der früheren Wohnung, hing eine Ikone mit einem brennenden Ewigen Licht davor, und auf dem Tisch lagen dieselben unentbehrlichen Dinge: das Kartenspiel, das Spiegelchen und sogar ein süßes Brötchen. Außerdem waren zwei Bücher mit bunten Bildern hinzugekommen, das eine Auszüge aus einer populären Reisebeschreibung, bearbeitet für die Jugend, das andere ein Sammelband mit leichten moralisierenden Erzählungen, vornehmlich Rittergeschichten, bestimmt für Weihnachtsbescherungen und Mädchenpensionate. Daneben ein Album mit verschiedenen Photographien. Natürlich hatte Marja Timofejewna, wie von dem Hauptmann angekündigt, den Besucher erwartet; aber als Nikolaj Wsewolodowitsch in ihr Zimmer trat, schlief sie halb liegend auf dem Sofa, den Kopf auf einem mit Kämelgarn bestickten Kissen. Der Besucher zog lautlos die Tür hinter sich ins Schloß und begann, ohne sich von der Stelle zu rühren, die Schlafende zu betrachten.
    Der Hauptmann hatte übertrieben, als er meldete, sie habe große Toilette gemacht. Sie trug dasselbe dunkle Kleid wie an jenem Sonntag bei Warwara Petrowna. Ihr Haar war auf dieselbe Weise im Nacken zu einem winzigen Knoten geschlungen; der lange, dürre Hals war immer noch nackt. Der schwarze Schal, das Geschenk Warwara Petrownas, lag sorgfältig zusammengelegt auf dem Sofa. Sie war genau so grell weiß und rot geschminkt wie stets. Nikolaj Wsewolodowitsch hatte noch keine Minute dagestanden, als sie plötzlich, wie wenn sie seinen Blick gespürt hätte, erwachte, die Augen aufschlug und sich blitzschnell aufrichtete. Aber auch mit dem Besucher mußte etwas Eigentümliches vorgegangen sein: Er blieb auf derselben Stelle an der Tür stehen; mit reglosem und durchdringendem Blick, stumm und unverwandt, starrte er ihr ins Gesicht. Vielleicht war dieser Blick über die Maßen hart, vielleicht drückte er Ekel, sogar eine schadenfrohe Lust an ihrem Entsetzen aus – falls die erwachende Marja Timofejewna dies nicht geträumt hatte. Jedenfalls zeigte sich nach einem beinahe minutenlangen Abwarten auf dem Gesicht der armen Frau plötzlich ein grenzenloses Entsetzen; es verzerrte sich wie im Krampf, sie hob ihre zitternden Hände und brach plötzlich in Tränen aus, genauso wie ein erschrockenes Kind; noch einen Augenblick, und sie hätte laut geschrien. Aber der Besucher kam zu sich: Sein Gesicht veränderte sich augenblicklich, und er trat an den Tisch mit einem freundlichen und liebenswürdigen Lächeln.
    »Ich bitte um Verzeihung, Marja Timofejewna, ich habe Sie durch mein plötzliches Erscheinen erschreckt, Sie hatten geruht«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
    Der Klang der liebenswürdigen Worte verfehlte seine Wirkung nicht, das Entsetzen legte sich, obwohl sie immer noch ängstlich blickte, sichtlich bemüht, irgend etwas zu verstehen. Ebenso ängstlich streckte sie ihm auch die Hand entgegen. Endlich spielte ein Lächeln schüchtern um ihre Lippen.
    »Guten Tag, Fürst«, flüsterte sie, indem sie ihn irgendwie eigenartig musterte.
    »Sie haben wohl einen bösen Traum gehabt?« Er lächelte immer freundlicher und liebenswürdiger.
    »Und woher wissen Sie, daß ich gerade davon geträumt habe?«
    Und plötzlich begann sie wieder zu zittern, fuhr zurück, hob wie zur Abwehr die Hand, bereit, von neuem in Tränen auszubrechen.
    »Beruhigen Sie sich, es ist gut,

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