Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
erst draußen vor der Haustür und von dem erschrockenen Lebjadkin mit Gewalt zurückgehalten, ihm kreischend und lachend in die Finsternis hinein nachzurufen:
»Grischka Ot-rep-jew, A-na-the-ma!«
IV
»MESSER! Messer!« wiederholte er in unstillbarer Wut, während er mit großen Schritten, ohne auf den Weg zu achten, durch Schlamm und Pfützen stapfte. Freilich, es gab Minuten einer unwiderstehlichen Lust zu lachen, laut und wie von Sinnen zu lachen; aber aus irgendeinem Grund beherrschte er sich und unterdrückte das Lachen. Erst auf der Brücke kam er wieder zu sich, genau an der Stelle, wo ihm vorhin Fedjka begegnet war; derselbe Fedjka erwartete ihn hier auch jetzt, zog bei seinem Anblick die Mütze, fletschte gutgelaunt die Zähne und begann sofort lebhaft und lustig zu parlieren. Zunächst ging Nikolaj Wsewolodowitsch, ohne stehenzubleiben, an ihm vorüber und achtete einige Zeit überhaupt nicht auf den Landstreicher, der sich ihm wieder anschloß. Er war verblüfft von dem Gedanken, daß er ihn völlig vergessen hatte, und zwar gerade zu der Zeit vergessen hatte, da er jede Minute vor sich hin wiederholte: »Messer! Messer!« Er packte den Landstreicher am Kragen und schlug ihn mit aller in ihm gestauten Wut und aller Kraft gegen die Brückenplanken. Einen Augenblick lang war dieser bereit, den Kampf aufzunehmen, hielt aber still, da er fast im selben Atemzug erkannte, daß er im Vergleich mit seinem Gegner, der ihn dazu noch unerwartet angegriffen hatte, kaum mehr als ein Strohhalm wäre, und gab jeden Widerstand auf. Auf den Knien und zu Boden gedrückt, beide Arme auf den Rücken gedreht, wartete der schlaue Kerl ruhig das Weitere ab, anscheinend ohne im mindesten an eine Gefahr zu glauben.
Er sollte sich nicht getäuscht haben. Nikolaj Wsewolodowitsch hatte schon mit der linken Hand den warmen Schal abgenommen, um seinem Gefangenen die Hände zu binden; plötzlich aber ließ er ihn aus irgendeinem Grunde los und gab ihm einen Stoß. Dieser sprang augenblicklich auf, wandte sich nach ihm um, und ein kurzes, breites Schustermesser blitzte im selben Augenblick in seiner Hand auf.
»Weg mit dem Messer! Einstecken! Sofort einstecken!« befahl Nikolaj Wsewolodowitsch mit einer ungeduldigen Gebärde, und das Messer verschwand ebensoschnell, wie es aufgetaucht war.
Nikolaj Wsewolodowitsch ging weiter, schweigend und ohne sich umzuwenden; aber der hartnäckige Schurke gab immer noch nicht auf, auch wenn er jetzt nicht mehr schwatzte und sogar ehrerbietig einen Schritt Abstand hielt. Beide ließen auf diese Weise die Brücke hinter sich, erreichten das Ufer, bogen aber diesmal nach links in eine ebenso lange und öde Gasse ab, durch die man aber schneller ins Zentrum der Stadt gelangte als auf dem Hinweg durch die Bogojawlenskaja-Straße.
»Stimmt das, was man sagt, daß du irgendwo hier im Landkreis dieser Tage in eine Kirche eingebrochen bist?« fragte Nikolaj Wsewolodowitsch.
»Ich habe eigentlich vorgehabt zu beten«, erwiderte der Landstreicher höflich und gemessen, als ob nichts geschehen wäre; sogar nicht nur gemessen, sondern geradezu würdevoll. Von der früheren »familiären« Vertraulichkeit war nichts mehr übriggeblieben. Man glaubte jetzt, einen tüchtigen und ernsten Mann vor sich zu haben, der, in der Tat zu Unrecht gekränkt, durchaus imstande war, sogar eine Beleidigung zu vergessen.
»Und als der Herr meine Schritte dorthin lenkte«, fuhr er fort, »ach, denke ich, das ist ja die himmlische Güte! Das kommt alles, weil ich eine Waise bin, weil ohne Unterstützung bei unserem Geschick nichts zu machen ist. Und da, bei Gott, gnäd’ger Herr, da hat der Herr mich für meine Sünden gestraft: Das Schwenkfaß und der Sorgenbrecher und auch der Mittelgurt des Diakons haben alles in allem nur zwölf Rubelchen gebracht! Und der Kinnriemen vom heiligen Nikolaus dem Wundertäter, reinstes Silber, überhaupt nichts: Similich , haben sie gesagt.«
»Den Wächter hast du erstochen?«
»Also, wir haben ja beide zusammen aufgeräumt, und erst dann, gegen Morgen, am Fluß, da kam es zum gegenseitigen Streit, wer von uns beiden den Sack tragen soll. Da mußte ich die Sünde auf mich nehmen und es ihm leichter machen.«
»Immer weiter morden, immer weiter stehlen.«
»Wortwörtlich sagen so auch Pjotr Stepanowitsch, genau wie der gnäd’ge Herr, aus dem Grunde, weil sie ein ungemein geiziger und rachsüchtiger Herr sind, wenn’s um die Unterstützung eines Menschen geht. Nicht mitgerechnet,
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