Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Außerdem werde ich immer auch noch dasein. Ihr werdet von mir eintausendzweihundert Rubel jährlich zu eurer Verfügung erhalten, mit Extrazuwendungen eintausendfünfhundert, für Wohnung und Kost werde ich aufkommen, genauso wie jetzt. Ihr müßt nur eure eigenen Dienstboten halten. Das Jahresgehalt werde ich an dich auf einmal auszahlen, direkt auf die Hand. Aber sei gut zu ihm: Gib ihm dann und wann etwas Geld, und erlaube auch, daß seine Freunde ihn besuchen, einmal wöchentlich, aber wenn sie öfter erscheinen, dann setz sie vor die Tür. Aber ich werde auch noch dasein. Wenn ich sterbe, läuft eure Pension weiter bis zu seinem Tod. Hörst du, nur bis zu seinem Tod, es ist nämlich seine Pension und nicht deine. Und dir werde ich außer den siebentausend, die dir unangetastet verbleiben, es sei denn, du stellst dich dumm an, weitere achttausend testamentarisch vermachen. Mehr bekommst du nicht, das sollst du wissen. Also, bist du einverstanden oder nicht? Wirst du nun endlich etwas sagen?«
»Ich habe schon etwas gesagt, Warwara Petrowna.«
»Vergiß nicht, es ist dein freier Entschluß, alles soll so geschehen, wie du willst.«
»Erlauben Sie, Warwara Petrowna, hat etwa Stepan Trofimowitsch mit Ihnen schon gesprochen?«
»Nein, er hat noch nicht mit mir gesprochen, und er weiß auch noch nichts, aber … aber er wird sofort mit mir sprechen!«
Im selben Augenblick sprang sie auf und warf ihren schwarzen Schal um. Wieder errötete Dascha leicht und beobachtete sie mit einem fragenden Blick. Da drehte sich Warwara Petrowna mit einem vor Zorn glühenden Gesicht nach ihr um.
»Du dumme Person!« fiel sie wie ein Habicht über Dascha her. »Undankbare dumme Person! Was geht in dir vor? Glaubst du etwa, ich könnte dich auf irgendeine Weise kompromittieren, auch nur so viel?! Er selbst wird doch vor dir auf den Knien rutschen und dich anflehen, er wird vor Glückseligkeit vergehen, so werde ich es arrangieren! Du weißt doch, ich werde niemals dulden, daß dir ein Unrecht geschieht! Oder glaubst du vielleicht, er nimmt dich dieser achttausend wegen und ich renne jetzt zu ihm, um dich zu verkaufen? Du dumme, dumme Person, ihr seid alle undankbare Geschöpfe! Hol mir den Schirm!«
Und sie flog zu Fuß über die nassen Ziegel- und Holztrottoirs zu Stepan Trofimowitsch.
VII
ES war die reinste Wahrheit, sie hätte niemals geduldet, daß »Darja« ein Unrecht geschähe, ganz im Gegenteil, jetzt hielt sie sich erst recht für ihre Wohltäterin. In ihrer Seele entbrannte die edelste und reinste Entrüstung, als sie beim Umlegen des Schals den verlegenen Blick ihrer Pflegetochter auffing. Sie liebte sie aufrichtig seit ihrer frühesten Kindheit. Praskowja Iwanowna hatte Darja Pawlowna zu Recht ihre Favoritin genannt. Schon vor längerer Zeit hatte Warwara Petrowna ein für allemal entschieden, daß “Darjas Charakter dem ihres Bruders” (das heißt dem Charakter ihres Bruders Iwan Schatow) “überhaupt nicht ähnlich” sei, daß sie ruhig und sanft, stets opferbereit sei, sich durch Anhänglichkeit, außerordentliche Bescheidenheit, seltene Verständigkeit und vor allem Dankbarkeit auszeichne. Bisher schien Dascha alle ihre Erwartungen zu erfüllen. »In diesem Leben wird es keine Fehler geben«, hatte Warwara Petrowna gesagt, als das Mädchen erst zwölf war, und da es ihre Art war, jeden fesselnden Traum, jeden neuen Plan, jede Idee, die in ihr aufleuchtete, hartnäckig und leidenschaftlich zu verfolgen, hatte sie im selben Atemzug beschlossen, Dascha wie eine leibliche Tochter zu erziehen. Unverzüglich legte sie eine größere Summe beiseite und stellte eine Gouvernante, Miss Criggs, ein, die bis zum sechzehnten Lebensjahr der Pflegetochter im Haus blieb und dann aus irgendeinem Grunde plötzlich entlassen wurde. Auch Lehrer aus dem Gymnasium kamen ins Haus, unter ihnen ein echter Franzose, bei dem Dascha Französisch lernte. Auch diesem wurde aus heiterem Himmel gekündigt, man setzte ihn einfach vor die Tür. Eine minderbemittelte zugereiste Dame, eine Witwe von Adel, gab Klavierunterricht. Aber der eigentliche Erzieher war doch Stepan Trofimowitsch. Genau genommen war er der erste, der Dascha entdeckt hatte: Er hatte das stille Kind schon zu einer Zeit unterrichtet, da Warwara Petrowna von ihr noch nicht einmal Notiz genommen hatte. Ich wiederhole nochmals: Es war erstaunlich, wie sehr Kinder an ihm hingen! Lisaweta Nikolajewna Tuschina war vom achten bis zum elften Lebensjahr seine Schülerin gewesen
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