Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Holzhäuschens, das der Leutnant bewohnte, wurden zwei Wochen lang nicht geöffnet. Als Julija Michajlowna all das erfuhr, grollte sie eine Zeitlang den Spaßvögeln und war äußerst unzufrieden mit dem Verhalten der resoluten Dame, obschon diese, gleich am ersten Tag nach der Entführung, ihr die Leutnantsgattin persönlich vorgestellt hatte. Übrigens war bald alles vergessen.
Ein andermal hatte ein junger Mann, ein zugereister kleiner Beamter, die Tochter eines anderen kleinen Beamten und dem Anschein nach achtbaren Familienvaters geehelicht, ein siebzehnjähriges Mädchen, eine in der ganzen Stadt gefeierte Schönheit. Aber plötzlich wurde bekannt, daß der frisch getraute Gatte gleich in der Hochzeitsnacht seine Schöne höchst unziemlich behandelt hatte, um sich für die ihm angetane Schmach an ihr zu rächen. Ljamschin, der beinahe Augenzeuge des Vorfalles geworden wäre, weil er sich auf der Hochzeit betrunken hatte und daraufhin im Hause übernachten mußte, war am nächsten Morgen in aller Frühe von Haus zu Haus gelaufen, um allen diese ergötzliche Neuigkeit mitzuteilen. Im Handumdrehen rotteten sich etwa zehn unserer jungen Leute zusammen, alle hoch zu Roß, manche auf gemieteten Kosakenpferden, zum Beispiel Pjotr Stepanowitsch und Liputin, welch letzterer, ungeachtet seiner grauen Haare, damals fast an allen skandalösen Umtrieben unserer zerstreuungssüchtigen jungen Leute teilnahm. Als die Jungvermählten sich auf der Straße zeigten, in einer Droschke, um die Besuche zu machen, die nach Brauch und Sitte am Tag nach der Trauung, ungeachtet aller Eventualitäten, abgestattet werden müssen, umringte diese ganze Kavalkade die Droschke und begleitete sie unter ausgelassenem Gelächter den ganzen Vormittag. Freilich, man betrat die Häuser nicht und wartete, ohne abzusitzen, vor den Toren; vor ausgesprochenen Beleidigungen der Braut und des Bräutigams hielt man sich zurück, löste aber trotzdem einen Skandal aus. Die ganze Stadt sprach von nichts anderem. Selbstverständlich wurde laut gelacht. Von Lembke dagegen wurde zornig, und zwischen ihm und Julija Michajlowna kam es abermals zu einer lebhaften Szene. Sie geriet ebenfalls in heftigen Zorn und nahm sich vor, den Spaßvögeln das Haus zu verbieten. Aber bereits am nächsten Tag begnadigte sie alle, infolge von Pjotr Stepanowitschs Beschwichtigungen und einiger Worte, die Karmasinow fallenließ. Dieser fand den »Spaß« recht witzig.
»Das entspricht den hiesigen Sitten«, sagte er, »ist zumindest charakteristisch und … kühn; Sie sehen doch: alle lachen. Sie sind die einzige, die zürnt.«
Aber es gab auch Streiche, die nicht hingenommen werden konnten, mit einem gewissen Beigeschmack.
Eines Tages war in der Stadt eine Straßenhändlerin aufgetaucht, die Bibeln verkaufte, eine ehrbare Frau, wenn auch nur Kleinbürgerin. Man sprach von ihr, weil in den Zeitungen der Metropolen gerade interessante Artikel über die Straßenbuchhändlerinnen erschienen waren. Wieder war es derselbe Schelm Ljamschin, der mit Hilfe eines Müßiggängers, eines ehemaligen Seminaristen, der auf eine vakante Lehrerstelle wartete, der Straßenhändlerin unter dem Vorwand, Bücher kaufen zu wollen, heimlich einen ganzen Packen obszöner, ekelhafter ausländischer Photographien in den Sack schob, die ihm zu diesem Zweck, wie man später erfuhr, ein ehrwürdiger alter Herr überlassen hatte, dessen Namen ich nicht nennen möchte, der aber einen hohen Orden um den Hals trug und, nach seinen eigenen Worten, »gesundes Lachen und lustigen Spaß« liebte. Als die arme Frau später die frommen Bücher bei uns im Gostinnyj Rjad auspackte, regnete es Bilder. Es erhoben sich Lachen und Murren; die Menge umdrängte sie, schimpfte und hätte sie sicherlich verprügelt, wenn nicht rechtzeitig die Polizei eingeschritten wäre. Die Bücherhändlerin wurde in Gewahrsam genommen und erst gegen Abend, dank der Bemühungen Mawrikij Nikolajewitschs, der mit Entrüstung die vertraulichen Details dieser ekelhaften Geschichte vernommen hatte, auf freien Fuß gesetzt und aus der Stadt gewiesen. Daraufhin setzte Julija Michajlowna Ljamschin endgültig vor die Tür, aber noch am selben Abend erschienen die Unsrigen vollzählig bei ihr und brachten ihn mit, eröffneten ihr, er habe ein neues, ganz besonderes Stück für Klavier komponiert, und überredeten sie, es wenigstens anzuhören. Es stellte sich heraus, daß das Klavierstück in der Tat sehr unterhaltend war und den lustigen Titel
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