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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Insbesondere in der Damenwelt machte sich ein bestimmter Leichtsinn bemerkbar, und man kann nicht sagen, daß dies allmählich eingetreten wäre. Ein Wind schien einige äußerst frivole Begriffe herbeigeweht zu haben. Ausgelassenheit und Leichtfertigkeit breiteten sich aus, und ich möchte nicht behaupten, daß sie immer angenehm gewesen wären. Ein gewisser Mangel an Ordnung in den Köpfen wurde Mode. Später, als alles vorbei war, gab man Julija Michajlowna die Schuld, ihrem Kreis und ihrem Einfluß; aber schwerlich hatte all das Julija Michajlowna allein verursacht. Im Gegenteil, anfangs wurde die neue Gouverneurin von sehr vielen um die Wette gelobt, weil es ihr gelungen sei, die Gesellschaft zu vereinigen, und weil es sich plötzlich lustiger leben ließe. Es ereigneten sich einige Skandale, an denen Julija Michajlowna nicht die geringste Schuld trug; aber damals lachte und amüsierte man sich nur darüber, und es war niemand da, der Einhalt geboten hätte. Freilich, eine ziemlich bedeutende Anzahl von Menschen blieb standhaft und hielt sich abseits; sie beobachteten den Lauf der Ereignisse von ihrem eigenen Standpunkt aus, hielten aber damals ihren Unmut noch zurück; sie lächelten sogar.
    Ich weiß noch, daß sich damals, wie von selbst, ein ziemlich großer Kreis zusammenfand, dessen Zentrum in der Tat Julija Michajlownas Salon war. In diesem intimen Kreis, der sich um sie scharte, waren die verschiedensten Streiche (natürlich unter den jungen Leuten) nicht nur erlaubt, sondern sogar zur Regel geworden – Streiche, die in der Tat manchmal ziemlich gewagt waren. Zu diesem Kreis gehörten einige sogar recht reizende junge Damen. Die jungen Leute veranstalteten Picknicks, kleine Feste, ritten in ganzen Kavalkaden oder fuhren in von Reitern eskortierten Equipagen durch die Stadt. Sie suchten Abenteuer, dachten sich sogar welche aus und inszenierten sie selbst, nur um einer unterhaltsamen Pointe willen. Unsere Stadt traktierten sie wie die Stadt Glupow . Sie wurden Spötter oder »Verspotter« genannt, weil ihnen nichts heilig war. Es geschah, zum Beispiel, daß die Frau eines hiesigen Leutnants, eine noch blutjunge, wenn auch, bei der kärglichen Kost im Haus ihres schlechtbesoldeten Mannes, blutarme Brünette, sich bei einer Abendgesellschaft leichtsinnigerweise an den Kartentisch setzte, in der Hoffnung, etwas Geld für eine Mantille zu gewinnen, aber, statt zu gewinnen, fünfzehn Rubel verlor. Aus Angst vor ihrem Mann und ohne eine Kopeke, um die Spielschuld zu begleichen, beschloß sie, in Erinnerung an ihre frühere Keckheit, sogleich, noch während dieser Abendgesellschaft, das Geld heimlich von dem Sohn unseres Stadtoberhaupts zu borgen, einem abscheulichen Flegel, der trotz seiner Jugend bereits mit allen Wassern gewaschen war. Dieser schlug ihre Bitte nicht nur ab, sondern sprach sofort, laut lachend, ihren Mann an und erzählte es ihm. Der Leutnant, der in der Tat nur auf seinen Sold angewiesen war und damit mehr schlecht als recht auskam, ließ, sobald sie zu Hause waren, seinen Zorn an seiner Frau weidlich aus, ungeachtet aller Tränen, Hilferufe und der kniefälligen Bitte um Vergebung. Diese empörende Geschichte rief in der ganzen Stadt nur Gelächter hervor, und obwohl die arme Leutnantsfrau nicht zu Julija Michajlownas Gefolge gehörte, machte sich eine der Damen dieser »Kavalkade«, ein exzentrisches und resolutes, mit der Leutnantsgattin entfernt bekanntes Frauenzimmer, auf den Weg, fuhr bei ihr vor und nahm sie einfach zu sich nach Hause mit. Hier wurde sie sofort von unsern Spaßvögeln in Beschlag genommen, mit Liebenswürdigkeiten und Geschenken überschüttet und vier Tage lang festgehalten, ohne zu ihrem Mann zurückkehren zu können. Sie wohnte bei der resoluten Dame, fuhr tagelang mit ihr und der ganzen tolldreisten Gesellschaft durch die Stadt spazieren und nahm an allen Vergnügungen und Tanzabenden teil. Sie wurde fortwährend gegen ihren Mann aufgehetzt: Sie solle ihn vor Gericht bringen und ihm den Prozeß machen. Man versicherte, alle würden sie unterstützen und als Zeugen auftreten. Der Mann hielt still, da er nicht wagte, den Kampf aufzunehmen. Endlich merkte die Ärmste, daß sie in eine Falle geraten war, und floh, halbtot vor Angst, am vierten Tag in der Dämmerung von ihren Beschützern zu ihrem Leutnant zurück. Was dann im einzelnen zwischen den Ehegatten vorgegangen war, entzog sich der allgemeinen Kenntnis; aber die beiden Fensterläden des niedrigen

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