Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Verbindungen und außerordentlichen Einfluß auf die Jugend der Residenz hat. Und wenn ich durch ihn sie alle an mich ziehe und um mich gruppiere, werde ich sie vor dem Abgrund retten, indem ich ihren Ehrgeiz in neue Bahnen lenke. Er ist mir mit ganzer Seele ergeben und folgt mir aufs Wort.«
»Aber während man mit ihnen sympathisiert, könnten sie … Weiß der Teufel, was sie alles könnten. Freilich, das ist eine Idee«, verteidigte sich von Lembke unentschlossen, »aber … aber ich hörte, im … schen Kreis seien irgendwelche Proklamationen aufgetaucht.«
»Aber diese Gerüchte gab es schon im Sommer – Proklamationen, falsche Banknoten, was weiß ich, aber bis heute liegt keine einzige vor. Wer hat Ihnen davon erzählt?«
»Von Blüm.«
»Ach, verschonen Sie mich mit Ihrem von Blüm, und unterstehen Sie sich, ihn jemals zu erwähnen!« Julija Michajlowna kochte vor Wut und mußte sogar fast eine Minute lang innehalten. Von Blüm war ein Beamter in der Kanzlei des Gouverneurs, den sie ganz besonders haßte. Davon später.
»Bitte, mach dir keine Gedanken wegen Werchowenskij«, schloß sie die Unterhaltung, »wenn er an irgendeinem Schabernack beteiligt wäre, würde er nicht so reden, wie er mit dir und mit allen anderen hier redet. Phraseure sind nicht gefährlich, und ich möchte sogar behaupten, daß ich, wenn irgend etwas vorfallen sollte, als erste durch ihn davon erfahren würde. Er ist mir fanatisch ergeben, fanatisch.«
Ich möchte, den Ereignissen vorgreifend, bemerken, daß möglicherweise, wäre Julija Michajlowna nicht so ehrgeizig und eingebildet gewesen, nichts von dem eingetreten wäre, was dieses üble Pack bei uns angerichtet hat. Hier ist sie für vieles verantwortlich!
Fünftes Kapitel
Vor dem Fest
I
DER Tag für das Fest, das Julija Michajlowna zugunsten der Gouvernanten unseres Gouvernements per Subskription veranstalten wollte, war schon mehrmals im voraus festgesetzt und immer wieder hinausgeschoben worden. Um sie her wirbelten unaufhörlich Pjotr Stepanowitsch, der subalterne Beamte Ljamschin, der die Rolle des Laufjungen übernahm, aber einst bei Stepan Trofimowitsch verkehrt hatte, bis er plötzlich wegen seines Klavierspiels im Hause des Gouverneurs gnädig aufgenommen wurde; in gewisser Weise Liputin, den Julija Michajlowna als Redakteur einer künftigen unabhängigen Gouvernementszeitung sah; einige Damen und junge Mädchen und schließlich sogar Karmasinow, der zwar nicht umherwirbelte, dafür aber laut und mit zufriedener Miene verkündete, daß er für alle eine angenehme Überraschung bereithalte, sobald die literarische Quadrille beginnen würde. Subskribenten und Spender meldeten sich in großer Zahl, die ganze auserwählte Gesellschaft der Stadt; aber auch die keineswegs Auserwählten waren zugelassen, wenn sie nur Geld mitbrachten. Julija Michajlowna bemerkte, daß die gelegentliche Mischung verschiedener Stände sogar zu begrüßen sei, denn »wer sonst will sie aufklären?« In ihrem Hause wurde ein inoffizielles Komitee gegründet und beschlossen, daß dieses Fest ein demokratisches werden solle. Die außerordentlich hohe Zahl von Subskribenten verlockte zu wachsenden Ausgaben; man wollte etwas Wunderbares zustande bringen – und deshalb mußte das Fest immer weiter hinausgeschoben werden. Man war sich immer noch nicht einig, wo der abendliche Ball stattfinden solle: in dem riesigen Haus der Adelsmarschallin, das sie für diesen Tag zur Verfügung stellte, oder in Skworeschniki bei Warwara Petrowna? Nach Skworeschniki wäre es ein bißchen weit gewesen, aber viele Komiteemitglieder bestanden darauf, daß man sich dort »ungezwungener« fühlen würde. Warwara Petrowna selbst hätte gar zu gern gesehen, daß man sich für sie entschiede. Schwer zu sagen, warum diese stolze Frau sich vor Julija Michajlowna beinahe unterwürfig zeigte. Es tat ihr wahrscheinlich wohl, daß Julija Michajlowna ihrerseits Nikolaij Wsewolodowitsch beinahe unterwürfig und so liebenswürdig behandelte wie kaum einen anderen. Ich wiederhole abermals: Pjotr Stepanowitsch fuhr im Hause des Gouverneurs unbeirrt fort, flüsternd, während der ganzen Zeit und immer wieder, die von ihm früher hinter vorgehaltener Hand verbreitete Idee einzuwurzeln, Nikolaij Wsewolodowitsch sei ein Mensch, der über geheimnisvolle Verbindungen zu der allergeheimnisvollsten Welt verfüge und sich zweifellos in speziellem Auftrag hier aufhalte.
Eine sonderbare Stimmung herrschte damals in allen Köpfen.
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