Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
das Weite, die Herren brachen in ein homerisches Gelächter aus. Damit endete unser Ausflug zu Semjon Jakowlewitsch.
Allerdings soll sich dabei, wie erzählt wird, noch ein außerordentlich rätselhafter Vorfall ereignet haben, und ich gestehe, daß ich eigentlich deswegen diesen Ausflug so ausführlich geschildert habe.
Als die ganze Schar hinausdrängte, soll Lisa, von Mawrikij Nikolajewitsch gestützt, plötzlich, wie erzählt wird, in der Tür, in der Enge, mit Nikolaj Wsewolodowitsch zusammengestoßen sein. Man muß wissen, daß die beiden seit jenem Sonntagmorgen und dem Ohnmachtsanfall sich zwar öfters begegnet, aber nie aufeinander zugegangen waren und kein Wort miteinander gewechselt hatten. Ich sah, wie sie in der Tür zusammenstießen: Mir schien, als hielten sie einen Augenblick an und würfen sich einen irgendwie eigenartigen Blick zu. Aber in dem Gedränge konnte ich es schlecht erkennen. Man behauptete dagegen, und zwar allen Ernstes, daß Lisa, nachdem sie Nikolaj Wsewolodowitsch angesehen hatte, schnell ihre Hand genau auf die Höhe seines Gesichts gehoben und sicherlich zugeschlagen hätte, wenn er ihr nicht rechtzeitig ausgewichen wäre. Vielleicht hatte ihr sein Gesichtsausdruck oder ein bestimmtes Lächeln mißfallen, besonders in diesem Augenblick, nach der Episode mit Mawrikij Nikolajewitsch. Ich gebe zu, daß ich persönlich nichts gesehen habe, aber alle versicherten, sie hätten es gesehen, obwohl in diesem Gedränge unmöglich alle es gesehen haben konnten, höchstens einige. Damals schenkte ich dem keinen Glauben. Allerdings erinnere ich mich, daß Nikolaj Wsewolodowitsch auf dem ganzen Rückweg ein wenig blaß war.
III
FAST zu derselben Stunde, ausgerechnet am selben Tag, fand endlich die Begegnung Stepan Trofimowitschs mit Warwara Petrowna statt, wie diese es sich längst vorgenommen und ihrem einstigen Freund längst angekündigt, aber aus irgendeinem Grunde bisher immer wieder hinausgeschoben hatte. Und zwar in Skworeschniki. Als Warwara Petrowna auf ihrem Landsitz eintraf, hatte sie den Kopf voller Pläne: Am Vortag war endgültig beschlossen worden, daß das bevorstehende Fest im Hause der Adelsmarschallin stattfinden sollte. Sofort nahm sich Warwara Petrowna in ihrer gewohnten raschen Art vor, nach diesem Fest ein anderes Fest zu veranstalten, woran sie niemand würde hindern können, in Skworeschniki, und ebenfalls die ganze Stadt einzuladen, damit alle aus eigener Anschauung sich überzeugen könnten, wessen Haus das bessere sei und wer sich besser darauf verstehe, Gäste zu empfangen und mit größerem Geschmack einen Ball zu arrangieren. Überhaupt, sie war kaum wiederzuerkennen. Sie schien wie verwandelt und aus der früheren unnahbaren »hohen Dame« (ein Ausdruck Stepan Trofimowitschs) zu einer ganz durchschnittlichen, affektierten Frau der höheren Gesellschaft geworden zu sein. Übrigens, dieser Schein konnte täuschen.
Sobald sie in dem unbewohnten Haus angekommen war, inspizierte sie die Zimmer, eines nach dem anderen, begleitet von ihrem treuen, altbewährten Alexej Jegorowitsch und Fomuschka, einem vielerfahrenen Mann und großen Spezialisten in puncto Dekoration. Man beriet und erwog vielerlei: Welche Möbel sollten aus dem Stadthaus herübergeschafft werden; welche Kunstgegenstände, welche Bilder; wie sollten sie verteilt, welche Anordnung für die Orangerie und den Blumenschmuck sollten getroffen werden; wo neue Draperien angebracht, wo das Buffet, und zwar eines oder zwei, aufgestellt werden: und so weiter, und so weiter. Und da, mitten in der brodelnden Geschäftigkeit, fiel ihr plötzlich ein, ihre Equipage nach Stepan Trofimowitsch zu schicken.
Dieser war schon längst davon unterrichtet, hatte sich vorbereitet und täglich mit solch plötzlicher Aufforderung gerechnet. Als er in die Equipage stieg, bekreuzigte er sich; sein Schicksal sollte sich entscheiden. Er fand seine Freundin in dem großen Saal, auf einem kleinen Sofa in einer Nische, hinter einem runden Marmortischchen, Bleistift und Papier in der Hand: Fomuschka maß mit der Elle die Höhe der Galerie und der Fenster aus, Warwara Petrowna schrieb eigenhändig die Zahlen auf und machte sich am Rand Notizen. Ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen, nickte sie Stepan Trofimowitsch zu, reichte ihm, als er eine Begrüßung stammelte, flüchtig die Hand und deutete, ohne aufzusehen, auf den Platz an ihrer Seite.
»Ich saß da und wartete gute fünf Minuten, ›mein Herz fest in der Hand‹«, berichtete
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