Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
kriegt noch mehr!« Man tat zum dritten- und schließlich zum vierten Mal Zucker hinein. Der Kaufmann begann widerspruchslos seinen Sirup zu trinken.
    »O Herr«, flüsterten die Anwesenden und schlugen das Kreuz. Der Gutsbesitzer seufzte abermals tief und laut.
    »Väterchen! Semjon Jakowlewitsch!« ertönte plötzlich die klagende, aber überraschend schrille Stimme jener ärmlichen Dame, die die Unsrigen an die Wand gedrängt hatten. »Eine ganze Stunde, mein Teuerster, warte ich schon auf dein gesegnetes Wort. Sprich, laß mich, eine arme Waise, dein Urteil hören.«
    »Frag sie!« befahl Semjon Jakowlewitsch dem Diener, der wie ein Kirchendiener aussah. Dieser trat an das Gitter.
    »Habt Ihr erfüllt, was Semjon Jakowlewitsch das letzte Mal befohlen hat?« fragte er die Witwe mit sanfter und gleichmäßiger Stimme.
    »Wie sollte ich es, Väterchen Semjon Jakowlewitsch, erfüllt haben, wie sollte ich es mit denen erfüllt haben!« klagte die Witwe lauthals. »Menschenfresser sind sie, eine Klage reichen sie beim Kreisgericht gegen mich ein und drohen mit dem Senat; gegen die leibliche Mutter! …«
    »Gib ihr!« Semjon Jakowlewitsch deutete auf einen Zuckerhut. Der Bursche sprang herbei, packte den Zuckerhut und schleppte ihn zu der Witwe.
    »Och, Väterchen, deine Gnade ist groß! Aber was soll ich mit dem ganzen Zucker!« jammerte die Witwe.
    »Mehr, mehr!« Semjon Jakowlewitsch schenkte weiter.
    Man schleppte noch einen Zuckerhut heran. »Mehr, mehr!« befahl er; man brachte einen dritten und schließlich einen vierten. Die Witwe war von allen Seiten mit Zuckerhüten umstellt. Der Mönch aus dem Kloster seufzte: All das hätte heute noch ins Kloster wandern können, wie üblich.
    »Was soll ich mit dem ganzen Zucker?« lamentierte die Witwe unterwürfig. »Mir wird übel davon, ich bin ja allein! Ob das wohl ein Fingerzeig ist, Väterchen?«
    »Das wird es sein, ein Fingerzeig«, sagte jemand aus der Menge.
    »Sie kriegt noch eine Tüte dazu! Mehr!« Semjon Jakowlewitsch gab sich noch nicht zufrieden.
    Auf dem Tisch stand noch ein ganzer Zuckerhut, aber Semjon Jakowlewitsch hatte befohlen, ihr eine Tüte zu geben, und man reichte der Witwe eine Tüte.
    »Herr, o Herr«, die Anwesenden seufzten und schlugen das Kreuz. »Ein offenbarer Fingerzeig.«
    »Versüßen Sie Ihr Herz mit Güte und Mitgefühl, und kommen Sie erst dann, um Ihre eigenen Kinder, Blut von Ihrem Blut und Fleisch von Ihrem Fleisch, anzuklagen, dies ist es wohl, was das Emblem sagen will«, verkündete leise, aber selbstgefällig der beleibte Mönch aus dem Kloster, den man mit dem Tee übergangen hatte und der sich nun in einer Anwandlung verletzter Eigenliebe zu einer Auslegung bemüßigt fühlte.
    »Aber ich bitte dich, Väterchen«, die Witwe wurde plötzlich böse, »sie haben mich ja an einer Schlinge ins Feuer gezogen, als es bei Werchischins brannte. Sie haben mir eine tote Katze in die Truhe gelegt, sie sind zu jeder Niedertracht bereit …«
    »Raus! Raus!« plötzlich winkte Semjon Jakowlewitsch mit beiden Händen ab.
    Der Kirchendiener und der Bursche stürzten vor das Gitter hinaus. Der Kirchendiener faßte die Witwe unter dem Arm, und diese, auf einmal zahm geworden, schleppte sich zur Tür, wobei sie sich immer wieder nach den geschenkten Zuckerhüten umsah, die der Bursche hinter ihr her schleppte.
    »Einen zurücknehmen! Zurück!« befahl Semjon Jakowlewitsch dem Markthelfer, der bei ihm geblieben war. Dieser eilte den Hinausgehenden nach, und alle drei Diener kamen bald mit dem vorhin geschenkten und nun wieder abverlangten Zuckerhut zurück. Immerhin trug sie drei mit sich fort.
    »Semjon Jakowlewitsch«, ertönte eine Stimme von hinten, fast von der Tür her, »mir träumte von einem Vogel, einer Dohle, die stieg aus dem Wasser auf und flog ins Feuer. Was bedeutet dieser Traum?«
    »Es gibt Frost«, sagte Semjon Jakowlewitsch.
    »Semjon Jakowlewitsch, warum haben Sie mir nicht geantwortet? Ich interessiere mich schon so lange für Sie!« Unsere Dame unternahm einen weiteren Versuch.
    »Frag den da!« Semjon Jakowlewitsch, ohne sie zu beachten, deutete plötzlich auf den knienden Gutsbesitzer.
    Der Mönch aus dem Kloster, dem dieser Befehl galt, näherte sich gemessenen Schrittes dem Gutsbesitzer.
    »Worin haben Sie gesündigt? Wurde Ihnen nicht etwas auferlegt?«
    »Nicht zu prügeln, die Hände in Zaum zu halten«, antwortete der Gutsbesitzer heiser.
    »Haben Sie es erfüllt?« fragte der Mönch.
    »Ich kann es nicht

Weitere Kostenlose Bücher