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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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er mir später, »ich sah nicht mehr die Frau vor mir, die ich zwanzig Jahre lang kannte. Die vollkommenste Überzeugung, daß alles zu Ende sei, verlieh mir Kräfte, die sogar sie staunen machten. Ich schwöre, daß sie von meiner Standhaftigkeit in dieser letzten Stunde verblüfft war.«
    Plötzlich legte Warwara Petrowna den Bleistift auf das Tischchen und wandte sich rasch Stepan Trofimowitsch zu.
    »Stepan Trofimowitsch, wir haben einiges Sachliche zu besprechen. Ich bin überzeugt, daß Sie Ihre sämtlichen pompösen Worte und Redensarten bereithalten. Wir wollen ohne Umschweife zur Sache kommen, das wäre besser, nicht wahr?«
    Es traf ihn wie ein Schlag. Sie hatte es gar zu eilig, die Tonart zu bestimmen, wie sollte es weitergehen?
    »Warten Sie, schweigen Sie, lassen Sie mich ausreden, dann kommen Sie an die Reihe, obwohl ich wirklich nicht weiß, was Sie mir antworten könnten«, fuhr sie hastig fort. »Eintausendzweihundert Rubel Pension halte ich für meine heilige Pflicht bis an Ihr Lebensende; vielmehr – wieso heilige Pflicht? – einfach für einen Vertrag, das ist wesentlich realistischer, nicht wahr? Wenn Sie wünschen, können wir das schriftlich aufsetzen. Für den Fall meines Ablebens sind besondere Verfügungen getroffen. Aber ich übernehme auch jetzt schon Unterkunft, Bedienung und den gesamten Lebensunterhalt. Wenn wir das zusammenrechnen, sind es weitere eintausendfünfhundert Rubel, nicht wahr? Ich lege noch dreihundert Rubel für Extraausgaben dazu, alles zusammen dreitausend Rubel. Reicht Ihnen das pro Jahr? Das ist doch nicht wenig? Bei besonderen Anlässen werde ich übrigens noch etwas zulegen. Also, nehmen Sie das Geld, schicken Sie mir meine Leute zurück und leben Sie für sich und wo Sie wollen, in Petersburg, in Moskau, im Ausland oder auch hier, nur nicht bei mir. Hören Sie?«
    »Kürzlich mußte ich aus diesem selben Munde eine andere ebenso beharrliche und ebenso rasche Forderung an mich hören«, sprach Stepan Trofimowitsch langsam und mit melancholischer Deutlichkeit, »ich bezähmte mich und … und tanzte Ihnen zuliebe Kasatschok. Oui, la comparaison peut être permise. C’était comme un petit cozak du Don, qui sautait sur sa propre tombe . Jetzt …«
    »Halten Sie ein, Stepan Trofimowitsch. Sie sind entsetzlich redselig. Sie haben keineswegs getanzt, Sie sind vor mir in einer neuen Halsbinde erschienen, in neuer Wäsche und Handschuhen, in einer Wolke aus Pomade und Parfum. Ich kann Ihnen versichern, daß Sie schrecklich gern geheiratet hätten; das stand auf Ihrem Gesicht geschrieben, und Sie können mir glauben, daß dies ein wenig kleidsamer Gesichtsausdruck ist. Wenn ich es Ihnen damals nicht an Ort und Stelle gesagt habe, so einzig und allein aus Taktgefühl. Aber Sie wünschten, Sie wünschten zu heiraten, ungeachtet aller intimen Scheußlichkeiten, die Sie über mich und Ihre Braut geschrieben haben. Jetzt ist alles anders. Und was hat damit der cozak du Don über Ihrem Grab zu tun? Ich verstehe den Vergleich nicht! Ganz im Gegenteil, Sie brauchen nicht zu sterben, Sie sollen leben; leben, so lange wie möglich, ich werde mich sehr darüber freuen.«
    »Im Armenhaus?«
    »Im Armenhaus? Wer geht schon mit dreitausend Rubeln Einkommen ins Armenhaus? Ach ja, ich erinnere mich«, sie lächelte, »Pjotr Stepanowitsch hat einmal im Spaß von einem Armenhaus erzählt, o ja, das ist in der Tat ein ganz besonderes Armenhaus. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Nur für die angesehensten Personen, darunter Obristen, und jetzt will sogar ein General dort einziehen. Wenn Sie mit Ihrem ganzen Geld aufgenommen werden, finden Sie Ruhe, Bequemlichkeit und Bedienung. Sie werden sich dort den Wissenschaften widmen und sich immer an einer Partie Préférence beteiligen können.«
    »Passons.«
    »Passons?« Das ging Warwara Petrowna gegen den Strich. »In diesem Fall ist das alles; Sie sind unterrichtet, von jetzt an leben wir vollständig getrennt.«
    »Das ist alles? Alles, was von den zwanzig Jahren geblieben ist? Unser letztes Adieu?«
    »Sie haben eine schreckliche Vorliebe für Exklamationen! Heute ist das ganz aus der Mode gekommen. Die sprechen jetzt grob, aber klar. Und was haben Sie nur mit unseren zwanzig Jahren? Zwanzig Jahre gegenseitiger Egoismus, sonst nichts. Jeder Ihrer Briefe an mich ist nicht an mich gerichtet, sondern an die Nachwelt. Sie sind ein Stilist und kein Freund, und die Freundschaft ist nur ein hochgepriesenes Wort. Und die Wirklichkeit? Nichts

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