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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Angestellte des Kaufmanns, machten sich um ihn zu schaffen; der eine trug einen Frack, der zweite erinnerte an einen Markthelfer, der dritte an einen Kirchendiener. Und auch noch ein flinker Bursche von etwa sechzehn Jahren. Außer der Bedienung war auch noch ein ehrwürdiger, wenn auch ziemlich beleibter, grauhaariger Mönch mit einer Sammelbüchse zugegen. Auf einem der Tische kochte ein gewaltiger Samowar, daneben befanden sich auf einem Tablett an die zwei Dutzend Teegläser. Auf dem anderen, gegenüberstehenden Tisch türmten sich die Gaben: mehrere Zuckerhüte und Tüten mit Zucker, zwei Pfund Tee, ein Paar bestickte Pantoffeln, ein Foulard, ein Coupon Tuch, ein Ballen Leinwand und ähnliches. Geldspenden wanderten ausnahmslos in die Sammelbüchse des Mönchs. Das Zimmer war voll von Menschen – wohl ein Dutzend Besucher, von denen zwei bei Semjon Jakowlewitsch hinter dem Holzgitter saßen; ein altes, ergrautes Männchen, ein Pilger »aus dem Volk«, und ein kleiner, dürrer, fremder Mönch, der sehr artig dasaß und den Blick stets gesenkt hielt. Alle anderen Besucher standen diesseits des Gitters, in der Mehrzahl ebenfalls einfaches Volk, mit Ausnahme eines dicken Kaufmanns aus der Kreisstadt, mit prächtigem Schaufelbart und in russischer Tracht, aber allgemein als steinreich bekannt, einer schon älteren ärmlichen Adeligen und eines Gutsbesitzers. Alle warteten auf ihr Glück und trauten sich nicht, als erste zu sprechen. Etwa vier Menschen knieten, aber am auffälligsten war der Gutsbesitzer, ein Dicker von etwa fünfundvierzig Jahren, der ganz dicht an dem Gitter kniete, unübersehbar und ehrfurchtsvoll auf einen wohlwollenden Blick oder ein wohlwollendes Wort von Semjon Jakowlewitsch wartend. Er kniete bereits seit fast einer Stunde, aber Semjon Jakowlewitsch nahm immer noch keine Notiz von ihm.
    Unsere Damen drängten sich bis an das Gitter vor und flüsterten heiter und lachlustig. Die Knienden und auch alle anderen Besucher wurden einfach beiseite oder in den Hintergrund gedrängt, mit Ausnahme des Gutsbesitzers, der hartnäckig seinen Platz verteidigte und sich dabei sogar am Holzgitter festklammerte. Amüsierte und neugierige Blicke richteten sich auf Semjon Jakowlewitsch, ebenso Lorgnons, Pincenez und sogar Binocles. Ljamschin jedenfalls betrachtete ihn durch ein Binocle. Semjon Jakowlewitsch ließ seine kleinen Augen ruhig und träge über die Versammelten schweifen.
    »Schleckermäuler! Schleckermäuler!« geruhte er schließlich in heiserem Baß leichthin auszurufen.
    Die Unsrigen lachten einhellig: »Wieso, was heißt ›Schleckermäuler‹?« Aber Semjon Jakowlewitsch blieb stumm und aß seine Kartoffeln zu Ende. Endlich wischte er sich den Mund mit einer Serviette und ließ sich den Tee reichen.
    Gewöhnlich nahm er den Tee nicht allein, sondern befahl, auch seinen Besuchern einzuschenken, aber keineswegs allen, und deutete gewöhnlich selbst auf diejenigen, die er beglücken wollte. Diese Befehle verblüfften stets durch ihre Unberechenbarkeit. Er überging die Reichen und die Würdenträger und ließ zuweilen den Tee einem Bauern oder einem uralten Mütterchen reichen; ein andermal überging er das arme Volk und gönnte den Tee einem fetten, steinreichen Kaufmann. Der Tee wurde auch auf verschiedene Art eingeschenkt, dem einen mit Zucker, dem anderen mit Stückzucker zum Abbeißen und dem dritten überhaupt ohne Zucker. Diesmal wurde das fremde dürre Mönchlein mit einem Glas Tee mit Zucker beglückt, und der greise Pilger bekam überhaupt keinen Zucker. Der beleibte Mönch mit der Sammelbüchse des Klosters ging heute aus irgendeinem Grunde leer aus, obwohl er bisher jeden Tag sein Glas Tee erhalten hatte.
    »Semjon Jakowlewitsch, sagen Sie mir doch irgend etwas, ich habe mir schon so lange gewünscht, Sie kennenzulernen«, flötete lächelnd, mit sprechendem Augenaufschlag, jene prachtvoll gekleidete Dame aus unserer Equipage, die unterwegs geäußert hatte, es sei zwecklos, mit Zerstreuungen zimperlich zu sein, wenn sie nur unterhaltend wären. Semjon Jakowlewitsch sah sie nicht einmal an. Der kniende Gutsbesitzer seufzte tief und so laut, wie wenn ein großer Blasebalg auf und nieder ginge.
    »Zucker ’rein!« Plötzlich deutete Semjon Jakowlewitsch auf den schwerreichen Kaufmann; dieser trat vor und stellte sich neben den Gutsbesitzer.
    »Mehr Zucker!« befahl Semjon Jakowlewitsch, nachdem der Tee bereits eingeschenkt war. Man tat noch eine Portion Zucker in das Glas. »Noch, der

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