Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Ihnen nichts, wie ich sehe, verborgen bleiben kann – denn Sie sind ein Mensch, der Augen im Kopf hat und sich nicht auf den ersten Blick durchschauen läßt, während diese Dummköpfe immer noch nicht aufhören, zu … bin ich … ich … na ja, um es kurz zu machen, bin ich … ich bin zu Ihnen gekommen mit der Bitte, einen Menschen zu retten, der auch ein Dummkopf ist, vielleicht auch ein Verrückter, in Anbetracht seiner Jugend, seines Ungemachs, im Namen Ihrer Humanität … Sie können doch nicht nur in den selbstgebackenen Romanen so human sein!« schloß er plötzlich mit plumpem Sarkasmus und ungeduldig seine Rede.
Man sah, um es kurz zu sagen, einen aufrichtigen, wenn auch vor lauter Menschenfreundlichkeit und vielleicht übermäßiger Empfindsamkeit ungeschickten und undiplomatischen, vor allem aber nicht sonderlich intelligenten Menschen vor sich, was von Lembke sofort mit dem ihm eigenen Feinsinn konstatierte und ohnehin längst vermutet hatte, besonders in der letzten Woche, da er, allein in seinem Arbeitszimmer, ganz besonders nachts, ihn wegen seiner unerklärlichen Erfolge bei Julija Michajlowna im stillen mit den übelsten Prädikaten bedacht hatte.
»Um wen handelt es sich denn, und was hat das alles zu bedeuten?« erkundigte er sich gravitätisch und bemüht, seine Neugier zu verbergen.
»Das ist … Das ist … hol’s der Teufel … Was kann ich dafür, daß ich an Sie glaube! Was kann ich dafür, daß ich Sie für den anständigsten Menschen halte, vor allen Dingen für einen mit Köpfchen! … Das heißt für jemanden, der fähig ist, zu begreifen, daß … hol’s der Teufel …«
Dem Ärmsten fiel es offensichtlich schwer, die Fassung zu bewahren.
»Sie müssen endlich begreifen«, fuhr er fort, »Sie müssen begreifen, daß ich ihn, wenn ich Ihnen seinen Namen nenne, Ihnen ausliefere; liefere ich ihn etwa nicht aus? Nicht wahr?«
»Aber wie kann ich seinen Namen erraten, wenn Sie sich nicht entschließen, ihn auszusprechen?«
»Das ist es ja, daß Sie mit Ihrer Logik den Menschen immer den Boden unter den Füßen wegziehen, hol’s der Teufel … Ja, Teufel … Diese ›lichte Persönlichkeit‹, dieser ›Student‹ ist … Schatow … jetzt wissen Sie alles!«
»Schatow? Wieso soll es Schatow sein?«
»Schatow, er ist dieser ›Student‹, von dem hier die Rede ist. Er lebt hier; ehemaliger Leibeigener, der mit der Ohrfeige.«
»Ich weiß, ich weiß!« Lembke kniff die Augen zusammen. »Aber erlauben Sie, was liegt gegen ihn eigentlich vor, und vor allen Dingen, weshalb treten Sie für ihn ein?«
»Aber ich bitte doch darum, ihn zu retten, begreifen Sie das nicht? Ich kenne ihn doch seit acht Jahren, vielleicht war ich sein Freund«, Pjotr Stepanowitsch geriet nahezu außer sich. »Wie dem auch sei, ich bin Ihnen keine Rechenschaft über mein früheres Leben schuldig«, er machte eine abwehrende Bewegung, »das ist doch alles null und nichtig, diese dreieinhalb Leute, auch mit denen im Ausland kommen keine zehn zusammen, vor allem hoffte ich auf Ihre Humanität, auf Ihren Verstand. Sie werden begreifen und die Angelegenheit richtig sehen und nicht als Gott weiß was, diesen törichten Traum eines Eigenbrötlers … der von Ungemach verfolgt wurde, bedenken Sie, jahrelanges Ungemach, und kein unerhörter Staatsstreich …!«
Er rang nahezu nach Luft.
»Hm. Ich sehe, daß die Proklamationen mit dem Beil zu seinen Lasten gehen«, folgerte Lembke beinahe majestätisch. »Erlauben Sie jedoch: Wäre er allein gewesen, wie hätte er sie sowohl hier, am Ort, als auch in der Provinz und sogar im Gouvernement Ch … verteilen können … und … und schließlich die Hauptsache: Woher hat er sie?«
»Aber ich sage es Ihnen doch – alles in allem höchstens fünf Leute von dieser Sorte, zehn, was weiß ich!«
»Sie wissen es nicht?«
»Aber woher soll ich das wissen, zum Teufel!«
»Aber Sie haben doch gewußt, daß Schatow einer der Beteiligten ist!?«
»Na, so was!« Pjotr Stepanowitsch winkte resigniert ab, als könne er sich des entwaffnenden Scharfblicks des Fragestellers nicht erwehren. »Also gut, hören Sie zu, ich werde Ihnen die ganze Wahrheit sagen: Über die Proklamationen weiß ich nichts, rein gar nichts. Begreifen Sie, zum Teufel, was das heißt, rein gar nichts? … Na gut, natürlich, dieser Unterleutnant und noch irgend jemand, vielleicht noch einer hier … vielleicht Schatow und sonst noch einer, und damit hat sich’s, nichts wie
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