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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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armseliger Ausschuß … Aber ich bin gekommen, um Schatow zu retten. Er muß gerettet werden, denn dieses Gedicht ist von ihm, sein ureigenstes Werk, und wurde in seinem Auftrag im Ausland gedruckt. Das weiß ich genau. Aber über die Proklamationen weiß ich rein gar nichts.«
    »Wenn dieses Gedicht von ihm ist, so sind die Proklamationen es sicherlich auch. Welche Tatsachen jedoch veranlassen Sie, Herrn Schatow zu verdächtigen?«
    Mit der Miene eines Menschen, der die Geduld endgültig verloren hat, riß Pjotr Stepanowitsch eine Brieftasche aus seinem Rock und entnahm ihr einen Zettel.
    »Hier sind die Tatsachen!« rief er, indem er den Zettel auf den Tisch warf. Lembke faltete ihn auseinander; es stellte sich heraus, daß der Zettel vor rund einem halben Jahr geschrieben worden war, von hier irgendwohin ins Ausland, ganz kurz, nur ein paar Worte:
Die »Lichte Persönlichkeit« kann ich hier nicht drucken, und auch sonst nichts; drucken Sie im Ausland.
Iw. Schatow
    Lembke ließ seinen unbewegten und aufmerksamen Blick lange auf Pjotr Stepanowitsch ruhen. Warwara Petrowana hatte recht, als sie sagte, daß sein Blick ein wenig an den eines Hammels erinnere, und manchmal ganz ausgesprochen.
    »Es handelt sich nämlich um folgendes«, Pjotr Stepanowitsch konnte sich nicht länger beherrschen, »das heißt, daß er dieses Gedicht vor einem halben Jahr hier geschrieben hat, es hier aber nicht drucken lassen konnte, sagen wir in irgendeiner illegalen Druckerei – und nun bittet er, es im Ausland zu drucken … Das ist doch klar?«
    »Jawohl, das ist klar, aber wer ist es denn, den er darum bittet? Das ist doch vorläufig nicht klar?« bemerkte Lembke mit feinster Ironie.
    »Aber Kirillow, versteht sich; der Zettel wurde doch an Kirillow ins Ausland geschrieben … Haben Sie das etwa nicht gewußt? Ich finde es nur ärgerlich, daß Sie vielleicht mit mir Versteck spielen, während Sie schon über dieses Gedicht unterrichtet sind und über alles andere auch! Wie kommt das Gedicht auf Ihren Schreibtisch? Auf welchem Weg kommt es hierher? Warum foltern Sie mich, wenn es sich so verhält?«
    Er wischte sich emphatisch mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.
    »Vielleicht bin ich über einiges unterrichtet …«, wich Lembke raffiniert aus, »aber wer ist dieser Kirillow?«
    »Na ja, ein Ingenieur, ein Zugereister, war Stawrogins Sekundant, ein Monomane, ein Irrer; Ihr Sous-Lieutenant hatte tatsächlich nur einen Anfall von Nervenfieber, dieser aber ist richtig verrückt – richtig, dafür garantiere ich. O je, Andrej Antonowitsch, wenn die Regierung wüßte, was das für Menschen sind, dann würde sie nicht die Hand gegen sie erheben. Alle miteinander gehören ins Tollhaus; bereits in der Schweiz und auf Kongressen habe ich mich an ihnen satt gesehen.«
    »Das heißt dort, von wo aus die hiesige Bewegung gelenkt wird?«
    »Aber wer lenkt sie denn? Drei Mann und ein halber. Man braucht sie nur zu sehen, um vor Langeweile einzuschlafen! Und was heißt die hiesige Bewegung? Die Proklamationen etwa? Und wen haben sie angeworben außer übergeschnappten Unterleutnants und ein paar Studenten! Sie sind ein kluger Mann, beantworten Sie mir doch die Frage: Warum werben sie niemand Bedeutenderen an, warum immer nur Studenten und Gelbschnäbel von zweiundzwanzig Jahren? Und selbst von denen, gibt es etwa viele davon? Man hat eine Million Spürhunde eingesetzt und wie viele gefunden? Sieben. Ich sag’s doch, es ist zum Einschlafen.«
    Lembke hörte aufmerksam zu, aber mit einer Miene, als wollte er sagen: »Die Nachtigall wird von Fabeln nicht satt.«
    »Erlauben Sie, Sie haben doch vorhin behauptet, dieser Zettel wäre ins Ausland adressiert gewesen. Eine Adresse steht allerdings nicht darauf; woher wollen Sie wissen, daß dieser Zettel an Herrn Kirillow adressiert war, und zwar ins Ausland, und … und … tatsächlich von Herrn Schatow geschrieben wurde?«
    »Verschaffen Sie sich sofort ein Schriftstück von Schatows Hand, und vergleichen Sie. In Ihrer Kanzlei muß sich doch eine Unterschrift von ihm finden lassen. Und daß er an Kirillow gerichtet war, das weiß ich von Kirillow selbst, er hat ihn mir damals gezeigt.«
    »Dann sind Sie also selbst …«
    »Aber ja, natürlich, dann bin ich ›also selbst‹. Man hat mir dort allerlei gezeigt. Und dieses Gedicht, das soll Herzen selig Schatow gewidmet haben, statt einer Empfehlung, als dieser noch im Ausland vagabundierte, weiß der Teufel … und Schatow verbreitet

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