Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
wegen.«
»Mir ist zu Ohren gekommen …«, Lembke konnte sich immer noch nicht entschließen, seinen Gedanken auszusprechen, »mir ist zu Ohren gekommen, daß Sie nach Ihrer Rückkehr aus dem Ausland an der zuständigen Stelle etwas wie … Reue gezeigt hätten?«
»Naja, was auch immer es gewesen sein mag.«
»Ich habe keineswegs die Absicht, mich aufzudrängen … aber ich hatte fortwährend den Eindruck, als ob Sie sich bis jetzt hier in einem ganz anderen Stil geäußert hätten, auch über den christlichen Glauben, zum Beispiel, über gesellschaftliche Institutionen und schließlich über die Regierung …«
»Ich habe mich über allerlei geäußert, und heute äußere ich mich nicht anders. Nur müssen solche Ideen anders umgesetzt werden, als diese Dummköpfe es tun, das ist es doch. Was hat man davon, wenn einer den anderen in die Schulter beißt? Sie haben mir ja selbst zugestimmt und nur gesagt, es sei noch zu früh.«
»Ich habe eigentlich nicht in diesem Punkt zugestimmt und gesagt, es sei noch zu früh.«
»Aber Sie legen ja jedes Wort auf die Goldwaage, he-he, Sie umsichtiger Mensch!« bemerkte plötzlich Pjotr Stepanowitsch heiter. »Wissen Sie, Verehrtester, ich wollte Sie näher kennenlernen und habe darum beim Sprechen meinen Stil beibehalten. Sie sind nicht der einzige, ich habe viele auf diese Weise näher kennengelernt. Vielleicht ging es mir darum, Ihren Charakter zu ergründen.«
»Und warum interessiert Sie mein Charakter?«
»Was weiß ich, warum.« (Er lachte wieder.) »Sehen Sie, teurer und hochverehrter Andrej Antonowitsch, Sie sind ein ganz Schlauer, aber soweit ist es noch nicht gekommen und wird es auch nicht kommen, verstehen Sie? Vielleicht verstehen Sie mich wirklich? Ich habe zwar nach meiner Rückkehr aus dem Ausland bei der zuständigen Stelle meine Erklärungen abgegeben und weiß immer noch nicht, warum ein Mensch mit bestimmten Überzeugungen nicht im Sinne seiner aufrichtigen Überzeugungen handeln sollte … aber niemand hat mir dort Ihren Charakter in Auftrag gegeben, und noch habe ich keinerlei derartige Aufträge von dort übernommen. Überlegen Sie: Ich hätte durchaus diese zwei Namen nicht Ihnen als erstem nennen, sondern mich dorthin wenden können, das heißt dorthin, wo ich meine ersten Erklärungen abgegeben habe; wenn es mir um die Finanzen oder um sonst irgendeinen Vorteil gegangen wäre, dann hätte ich mich verrechnet, denn jetzt gehört der Dank Ihnen und nicht mir. Mir geht es einzig und allein um Schatow«, fügte Pjotr Stepanowitsch sehr vornehm hinzu, »nur um Schatow, aus alter Freundschaft … Meinetwegen, wenn Sie zur Feder greifen, um dorthin Bericht zu erstatten – na ja, dann können Sie auch mich lobend erwähnen, wenn Sie wollen … ich werde nicht widersprechen, he-he! Doch nun adieu, ich bin viel zu lange geblieben; und ich hätte den Mund halten sollen!« fügte er einigermaßen liebenswürdig hinzu und erhob sich vom Sofa.
»Ganz im Gegenteil. Ich freue mich sehr, daß die Sache sozusagen feste Konturen annimmt«, sagte ebenso artig, offensichtlich unter dem Einfluß der letzten Worte, von Lembke und stand gleichfalls auf. »Nehmen Sie meinen Dank für Ihre Bemühungen entgegen, und seien Sie versichert, daß alles, was meinerseits zur Würdigung Ihrer Verdienste geschehen kann …«
»Sechs Tage, Hauptsache – sechs Tage Frist! Und daß Sie sich in diesen sechs Tagen nicht von der Stelle rühren! Das ist alles, was ich brauche!«
»Von mir aus.«
»Selbstverständlich möchte ich Ihnen nicht die Hände binden, und das steht mir auch nicht zu. Sie werden gar nicht anders können als observieren; nur schrecken Sie mir das Nest nicht vorzeitig auf, darin verlasse ich mich auf Ihre Intelligenz und Ihre Erfahrung. Aber Sie haben doch gewiß Ihre eigenen Jagdhunde in Reserve und allerlei Spürhunde, nicht wahr?« fragte Pjotr Stepanowitsch unvermittelt, so heiter und unbefangen (wie junge Leute es eben tun).
»Ganz so ist es nicht«, wich Lembke verbindlich aus. »Das ist ein Vorurteil der Jugend, wir hätten zuviel in Reserve … Aber vielleicht erlauben Sie noch eine Frage: Falls dieser Kirillow Stawrogins Sekundant gewesen ist, dann ist auch Herr Stawrogin …«
»Was ist mit Stawrogin?«
»Dann sind die beiden also eng befreundet und …«
»Ach was, nein, nein, nein! Hier haben Sie danebengegriffen, obwohl Sie sonst so gescheit sind. Das macht mich sogar stutzig. Ich glaubte Sie in dieser Beziehung nicht ganz
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