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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Bestimmtem gekommen bin?«
    »Ich … habe es am Gesicht erkannt«, flüsterte Tichon und schlug die Augen nieder.
    Nikolaj Wsewolodowitsch war blaß, seine Hände zitterten ein wenig. Einige Sekunden sah er reglos und schweigend Tichon an, wie vor einem endgültigen Entschluß. Dann zog er aus der Seitentasche seines Rockes irgendwelche kleinen bedruckten Blätter und legte sie auf den Tisch.
    »Das sind Blätter, die zur Verbreitung bestimmt sind«, sagte er mit leicht stockender Stimme. »Wenn auch nur ein einziger Mensch sie gelesen hat, dann, müssen Sie wissen, werde ich sie nicht mehr geheimhalten, alle werden sie lesen. Das ist beschlossene Sache. Ich bin auf Sie überhaupt nicht angewiesen, weil ich schon alles beschlossen habe. Aber lesen Sie … Solange Sie lesen, sagen Sie nichts, und nachdem Sie gelesen haben – sagen Sie alles.«
    »Soll ich lesen?« fragte Tichon unschlüssig.
    »Lesen Sie; ich bin schon lange ruhig.«
    »Nein, ohne Brille kann ich das nicht lesen, ein feines Schriftbild, im Ausland gedruckt.«
    »Hier ist die Brille.« Stawrogin reichte sie ihm vom Tisch und lehnte sich ins Sofa zurück. Tichon vertiefte sich in die Lektüre.
    II
    DAS Schriftbild war in der Tat ausländisch – auf drei zusammengehefteten Bogen gewöhnlichen Briefpapiers kleinen Formats. Wahrscheinlich heimlich in einer russischen Druckerei im Ausland gedruckt, sahen sie auf den ersten Blick wie Proklamationen aus. Die Überschrift lautete: »Von Stawrogin.«
    Ich füge dieses Dokument wortgetreu in meine Chronik ein. Möglicherweise ist es inzwischen vielen bekannt. Ich habe mir erlaubt, lediglich die orthographischen Fehler zu verbessern, die ziemlich zahlreich waren und mich sogar einigermaßen in Verwunderung setzten, da der Autor immerhin als gebildet und sogar als belesen (natürlich relativ) gelten konnte. Am Stil habe ich nichts verändert, ungeachtet aller Regelwidrigkeiten und sogar Unklarheiten. Jedenfalls ist es offenkundig, daß der Verfasser keineswegs ein Literat war.

    Von Stawrogin
    Ich, Nikolaj Stawrogin, verabschiedeter Offizier, lebte im Jahr 186 … in Petersburg und gab mich daselbst Ausschweifungen hin, an denen ich keinerlei Vergnügen fand. Ich hatte damals eine Zeitlang drei Wohnungen. In einer von ihnen wohnte ich garni, mit Tisch und Bedienung, wo sich damals auch Marja Lebjadkina, heute meine rechtmäßige Ehefrau, befand. Die beiden anderen Wohnungen mietete ich damals jeweils monatsweise für eine Intrige: In der einen empfing ich eine Dame, die mich liebte, und in der anderen ihr Dienstmädchen, und eine Zeitlang war ich sehr mit dem Plan beschäftigt, die beiden zusammenzubringen, und zwar sollten die Dame und die Magd vor meinen Kumpanen und ihrem Gatten zusammentreffen. Ich kannte den Charakter der beiden und versprach mir von diesem plumpen Spaß großes Vergnügen.
    Während ich nach und nach diese Begegnung vorbereitete, mußte ich häufiger die eine dieser Wohnungen in einem großen Haus in der Gorochowaja aufsuchen, weil jenes Dienstmädchen dorthinkam. Hier hatte ich nur ein Zimmer, im vierten Stock, das ich bei russischen Kleinbürgern gemietet hatte. Sie selbst hausten im Zimmer nebenan, das kleiner war, so daß die Verbindungstür zu meinem Zimmer immer offenstand, was mir willkommen war. Der Mann arbeitete irgendwo in einem Kontor und war von morgens bis spätabends fort. Seine Frau, eine Person von etwa vierzig Jahren, trennte alte Kleider auf und nähte daraus neue und war ebenfalls ziemlich oft außer Haus, um das Genähte abzuliefern. Ich blieb allein mit ihrer Tochter, einem Mädchen, ich glaube, sie war um die Vierzehn, von ganz und gar kindlichem Aussehen. Sie hieß Matrjoscha. Die Mutter liebte sie, schlug sie aber häufig und schrie sie, wie das bei ihnen üblich ist, nach Weiberart entsetzlich an. Dieses Mädchen bediente mich und räumte bei mir hinter dem Paravent auf. Ich erkläre, daß ich die Hausnummer vergessen habe. Heute, ich habe mich erkundigt, weiß ich, daß das alte Haus abgerissen ist, den Besitzer gewechselt hat und daß an der Stelle von zwei, drei Häusern ein neues, sehr großes Gebäude steht. Den Namen meiner Kleinbürger habe ich vergessen (vielleicht wußte ich ihn auch damals nicht). Ich erinnere mich nur, daß die Frau Stepanida hieß, ich glaube Michajlowna. An seinen Namen erinnere ich mich nicht mehr. Wohin sie gehörten, woher sie kamen und wo sie sich jetzt aufhalten, ist mir gänzlich unbekannt. Ich nehme an, daß, wenn man

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