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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Plötzlich zuckten seine Mundwinkel schnell und nervös.
    »Aber kann man an einen bösen Geist glauben, wenn man an Gott kein bißchen glaubt?« fragte Stawrogin und lachte.
    »Oh, sehr gut sogar, das kommt oft vor«, Tichon hob die Augen und lächelte ebenfalls.
    »Und ich bin überzeugt, daß für Sie ein solcher Glaube immerhin achtbarer ist als völliger Unglaube … Oh, diese Pfaffen!« Stawrogin lachte aus vollem Halse. Tichon lächelte ihm abermals zu.
    »Im Gegenteil, völliger Atheismus ist achtbarer als weltliche Gleichgültigkeit«, sagte er heiter und treuherzig.
    »Oho, so steht es mit Ihnen!«
    »Der vollkommene Atheist steht auf der vorletzten, der obersten Stufe zum vollkommensten Glauben (ganz gleich, ob er den letzten Schritt tut oder nicht), der Gleichgültige jedoch hat gar keinen Glauben, außer der schlechten Angst.«
    »Aber Sie … Haben Sie die Apokalypse gelesen?«
    »Ich habe sie gelesen.«
    »Erinnern Sie sich: ›Und dem Engel der Gemeinde zu Laodicea schreibe: …‹«
    »Ich erinnere mich. Das sind wunderschöne Worte.«
    »Wunderschön? Ein sonderbarer Ausdruck für einen Bischof. Und überhaupt, Sie sind ein Sonderling … Wo haben Sie das Buch?« Stawrogin wirkte auf einmal eigentümlich hastig und suchte erregt mit den Augen das Buch auf dem Tisch. »Ich möchte es Ihnen vorlesen … Besitzen Sie eine russische Übersetzung?«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich kenne die Stelle genau«, sagte Tichon.
    »Wissen Sie sie auswendig? Sprechen Sie! …«
    Er senkte schnell die Augen, stützte beide Hände auf die Knie und wartete ungeduldig. Tichon sprach die Stelle auswendig, Wort für Wort: »Und dem Engel der Gemeinde zu Laodicea schreibe: ›Das sagt Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Kreatur Gottes: Ich weiß deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts; und weißt nicht, daß du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß …‹«
    »Genug!« unterbrach ihn Stawrogin, »das ist für die in der Mitte, für die Gleichgültigen, nicht wahr? Wissen Sie, ich liebe Sie sehr.«
    »Und ich Sie auch«, erwiderte Tichon halblaut.
    Stawrogin verstummte und versank plötzlich wieder in das frühere Nachdenken. Es überkam ihn wie ein Anfall, nun schon zum dritten Mal. Auch »Ich liebe Sie« hatte er wie in einem Anfall gesagt, jedenfalls unerwartet für sich selbst. So verging mehr als eine Minute.
    »Ärgere dich nicht«, flüsterte Tichon, wobei er mit dem Finger seinen Ellbogen berührte, als sei ihm bange. Stawrogin schreckte auf und runzelte zornig die Stirn.
    »Woher wissen Sie, daß ich mich ärgere?« fragte er schnell. Tichon wollte schon erwidern, aber Stawrogin fiel ihm in unerklärlicher Unruhe ins Wort:
    »Wieso haben Sie eigentlich angenommen, daß ich mich unbedingt ärgern müßte? Ja, ich habe mich geärgert, Sie haben recht, und gerade deswegen, weil ich zu Ihnen gesagt habe ›ich liebe Sie‹. Sie haben recht, aber Sie sind ein plumper Zyniker, Sie denken niedrig von der menschlichen Natur. Dieser Ärger wäre nicht, wenn an meiner Stelle ein anderer Mensch säße und nicht ich … Trotzdem sind Sie ein Sonderling und ein Jurodiwyj  …«
    Er erregte sich mehr und mehr und achtete seltsamerweise nicht auf seine Worte:
    »Hören Sie, ich kann Spione und Psychologen, jedenfalls solche, die mir in die Seele kriechen, nicht leiden. Ich habe niemand dazu aufgefordert, ich brauche niemand, ich komme ganz alleine aus. Glauben Sie etwa, daß ich mich vor Ihnen fürchte?« Er hob die Stimme und warf herausfordernd den Kopf zurück. »Sind Sie fest überzeugt, daß ich gekommen bin, um Ihnen ein ›furchtbares‹ Geheimnis anzuvertrauen? Und Sie warten darauf, mit all der klösterlichen Neugier, deren Sie fähig sind? Nun, dann sollen Sie wissen, daß ich Ihnen nichts anvertrauen werde, keinerlei Geheimnisse, weil ich auf Sie überhaupt nicht angewiesen bin.«
    Tichon sah ihn fest an:
    »Sie sind betroffen, daß das Lamm eher den Kalten liebt als den bloß Lauen«, sagte er, »Sie wollen nicht n-u-r lau sein. Ich fühle, daß Sie mit einer außerordentlichen, vielleicht sogar entsetzlichen Absicht ringen. Wenn das so ist, so flehe ich Sie an, quälen Sie sich nicht länger und sagen Sie alles, womit Sie hergekommen sind.«
    »Und Sie waren sicher, daß ich mit etwas

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