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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Michajlowna. Wir nahmen im Empfangsraum Platz und warteten. Ich wollte meinen Freund nicht im Stich lassen, hielt es aber für unnötig, weiter auf ihn einzureden. Er sah wie ein Mensch aus, der bereit war, sich für sein Vaterland zu opfern. Wir setzten uns nicht nebeneinander, sondern in verschiedene Ecken: ich in der Nähe der Eingangstür, er dagegen weit entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite, den Kopf nachdenklich gesenkt, beide Hände auf den Stock gestützt. Seinen breitkrempigen Hut hielt er in der Linken. So saßen wir ungefähr zehn Minuten lang.
    II
    PLÖTZLICH trat mit raschen Schritten Lembke ein, in Begleitung des Polizeimeisters, streifte uns mit einem zerstreuten Blick und wollte schon rechts in seinem Kabinett verschwinden, als Stepan Trofimowitsch aufstand und sich ihm in den Weg stellte. Die hohe, allen anderen so unähnliche Erscheinung Stepan Trofimowitschs machte Eindruck. Lembke blieb stehen.
    »Wer ist das?« murmelte er erstaunt, als fragte er den Polizeimeister, aber ohne ihm den Kopf zuzuwenden, sondern immer noch Stepan Trofimowitsch musternd.
    »Verabschiedeter Kollegienassessor Stepan Trofimowitsch Werchowenskij, Exzellenz«, antwortete Stepan Trofimowitsch und neigte würdevoll den Kopf. Die Exzellenz musterte ihn weiter, mit übrigens recht stumpfsinnigem Blick.
    »Worum?« Lakonisch, wie jede höhere Instanz, wandte er Stepan Trofimowitsch ungeduldig und mißmutig ein Ohr zu, da er in ihm schließlich einen gewöhnliche Bittsteller mit einer Bittschrift zu erkennen glaubte.
    »Heute hat bei mir eine Haussuchung stattgefunden, durch einen Beamten, der im Namen Euer Exzellenz zu handeln vorgab; deshalb möchte ich …«
    »Name? Name?« fragte Lembke ungeduldig, als fiele ihm plötzlich etwas ein. Stepan Trofimowitsch wiederholte seinen Namen noch würdevoller.
    »Aha! Das … das ist jene Brutstätte … Mein Herr, Sie haben sich von einem solchen Punkt gezeigt … daß … Sie sind Professor? Professor?«
    »Früher einmal hatte ich die Ehre, einige Vorlesungen vor der Jugend der …er Universität zu halten.«
    »Jugend!« Herr von Lembke schien zusammenzuzucken, obgleich er, ich möchte wetten, noch kaum wußte, wovon die Rede war, und vielleicht nicht einmal, mit wem er sprach. »Ich, mein Herr, ich lasse das nicht zu«, plötzlich wurde er furchtbar ärgerlich. »Ich lasse Jugend nicht zu. Das sind alles Proklamationen. Das ist ein Anschlag auf die Gesellschaft, mein Herr, Überfall auf offener See, Flibustier … Worauf bezieht sich Ihre Bitte?«
    »Im Gegenteil, Ihre Gattin bat mich, morgen zu ihrem Fest einen Vortrag zu halten. Ich bin nicht gekommen, um zu bitten, ich bin gekommen, um mein Recht zu fordern …«
    »Auf dem Fest? Es wird kein Fest geben, ich lasse Ihr Fest nicht zu … Vorträge? Vorträge?« rief er außer sich.
    »Ich wünsche mir sehr, Exzellenz, daß Sie mit mir höflicher sprechen, nicht mit den Füßen stampfen und mich nicht anschreien wie einen dummen Jungen.«
    »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie sprechen?« fragte Lembke und errötete.
    »Ich weiß es sehr wohl, Euer Exzellenz.«
    »Ich schütze die Gesellschaft, Sie aber wollen sie zerstören. Zer-stö-ren! Sie … Übrigens, jetzt erinnere ich mich: Waren Sie nicht Hauslehrer bei Frau Generalin Stawrogina?«
    »Ja, ich war … Hauslehrer … bei Frau Generalin Stawrogina.«
    »Und haben im Laufe von zwanzig Jahren die Pflanzstätte von allem angelegt, was jetzt zum Ausbruch kommt … alles Früchte von … Ich glaube, ich habe Sie soeben auf dem Platz gesehen. Nehmen Sie sich in acht, mein Herr, nehmen Sie sich in acht; die Richtung Ihrer Ideen ist bekannt. Seien Sie überzeugt, ich bin im Bilde. Ihre Vorträge, mein Herr, kann ich nicht zulassen, kann ich nicht zulassen. Mit solchen Gesuchen dürfen Sie sich nicht an mich wenden.«
    Und wieder schickte er sich an weiterzugehen.
    »Ich wiederhole, daß Euer Exzellenz sich in einem Irrtum befinden; es war Ihre Gattin, die mich gebeten hat vorzutragen – nicht gerade eine Vorlesung, aber irgend etwas Literarisches, auf dem morgigen Fest. Aber nun möchte ich von mir aus auf meinen Vortrag verzichten. Ich bitte untertänigst um die Erklärung, warum und weshalb die heutige Hausdurchsuchung stattfinden mußte. Man hat mir einige Bücher weggenommen, Papiere, private, für mich unschätzbare Briefe und alles auf einem Schubkarren durch die Stadt gefahren …«
    »Wer hat die Hausdurchsuchung durchgeführt?« Lembke belebte sich,

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