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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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schien aufzuwachen und errötete plötzlich über und über. Er drehte sich rasch zu dem Polizeimeister um. In diesem Augenblick erschien in der Tür die gebückte, lange, linkische Gestalt Blüms.
    »Da ist er ja, dieser Beamte«, rief Stepan Trofimowitsch. Blüm trat mit schuldbewußter, aber keineswegs reumütiger Miene vor.
    » Vous ne faites que des bêtises «, fuhr ihn Lembke verärgert und erbost an; plötzlich war er wie gewandelt und schien mit einem Mal zu sich gekommen. »Entschuldigen Sie«, stammelte er in höchster Verwirrung und mit dunkelrotem Kopf, »das alles … das war … alles gewiß nichts als eine Ungeschicklichkeit, ein Mißverständnis … nichts als ein Mißverständnis.«
    »Euer Exzellenz«, entgegnete Stepan Trofimowitsch, »in meiner Jugend war ich Zeuge einer charakteristischen Begebenheit. Im Theater, im Foyer, trat jemand rasch auf einen anderen zu und gab diesem vor allem Publikum eine schallende Ohrfeige. Als er im selben Augenblick gewahr wurde, daß die betroffene Person keineswegs jene war, der diese Ohrfeige galt, sondern eine völlig andere, wenn auch ihr ähnliche, sagte er zornig und in Eile, wie ein Mensch, der seine kostbare Zeit nicht verschwenden möchte, genau dasselbe, was Euer Exzellenz soeben sagten: ›Ich habe mich geirrt … Entschuldigen Sie, nichts als ein Mißverständnis, nichts als ein Mißverständnis‹, und als der Beleidigte sich immer noch beleidigt fühlte und laut wurde, fügte er äußerst verdrossen hinzu: ›Ich sagte Ihnen doch, ein Mißverständnis, warum werden Sie so laut?‹«
    »Das … das ist natürlich sehr komisch«, sagte Lembke mit einem schiefen Lächeln, »aber … aber sehen Sie denn nicht, wie unglücklich ich selbst bin?«
    Er hatte beinahe aufgeschrien und … und hätte wohl am liebsten beide Hände vors Gesicht geschlagen.
    Dieser unerwartete schmerzliche Ausruf, fast ein Schluchzen, war herzzerreißend. Das war wahrscheinlich die Minute, da alles, was seit gestern geschehen war, ihm zum ersten Mal grell zum Bewußtsein kam, die Minute der darauffolgenden Verzweiflung, einer völligen, erniedrigenden, widerstandslosen Verzweiflung; wer weiß – noch ein Augenblick, und sein Schluchzen hätte den ganzen Empfangsraum erfüllt. Stepan Trofimowitsch starrte ihn zunächst verständnislos an, neigte dann plötzlich den Kopf und sagte mit tiefbewegter Stimme:
    »Exzellenz, machen Sie sich keine Gedanken wegen meiner streitsüchtigen Beschwerde, und veranlassen Sie nur, daß mir meine Bücher und Briefe zurückgegeben werden …«
    Er wurde unterbrochen. In diesem Augenblick kehrte Julija Michajlowna mit ihrem Gefolge ziemlich geräuschvoll zurück. Aber hier muß meine Schilderung möglichst ausführlich werden.
    III
    ERSTENS drängten alle auf einmal, aus allen drei Equipagen, gleichzeitig in den Empfangsraum. Der Zugang zu den Gemächern Julija Michajlownas führte direkt aus dem Entrée nach links; aber diesmal nahmen alle den Weg durch den Empfangsraum – und zwar, wie ich annehme, eigens deshalb, weil Stepan Trofimowitsch sich dort befand und weil alles ihm Zugestoßene, sowie die Geschichte mit den Schpigulinschen Arbeitern, Julija Michajlowna bereits bei der Einfahrt in die Stadt hinterbracht worden war. Die Nachricht hatte Ljamschin überbracht, der zur Strafe für irgendein Vergehen zu Hause bleiben mußte, an der Fahrt nach Skworeschniki nicht teilnehmen durfte und daher alles früher als die anderen erfahren hatte. Mit hämischer Freude galoppierte er auf einer gemieteten Kosaken-Mähre über die Straße nach Skworeschniki, um der zurückkehrenden Kavalkade die ergötzlichen Neuigkeiten zu unterbreiten. Ich glaube, daß Julija Michajlowna, ungeachtet höchster Entschlossenheit, bei solch erstaunlichen Neuigkeiten ein wenig stutzig wurde, jedoch gewiß nur für einen kurzen Augenblick. Die politische Seite der Angelegenheit zum Beispiel bereitete ihr nicht das geringste Kopfzerbrechen: Pjotr Stepanowitsch hatte ihr schon ungefähr viermal versichert, daß die Schpigulinschen Randalierer alle bis auf den letzten Mann eine Portion Stockschläge verdienten, Pjotr Stepanowitsch aber war für sie seit geraumer Zeit die Autorität geworden. “Trotzdem … Dafür wird er bezahlen”, dachte sie im stillen, wobei dieses “ er ” sich selbstverständlich auf ihren Gatten bezog. Beiläufig möchte ich erwähnen, daß auch Pjotr Stepanowitsch diesmal an der Ausfahrt nicht teilgenommen hatte und sich ausgerechnet an

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