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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Händen befand sich plötzlich ein prachtvoller Lorbeerkranz auf weißem Samtkissen, von einem Kranz frischer Rosen eingefaßt.
    »Lorbeer!« sprach Karmasinow mit feinem und ein wenig spitzem Lächeln. »Ich bin natürlich gerührt und nehme diesen im voraus geflochtenen, aber noch nicht welkenden Kranz mit lebhaften Gefühlen entgegen; aber ich versichere Ihnen, Mesdames, ich bin plötzlich ein solcher Realist geworden, daß ich in unserer Zeit den Lorbeer in den Händen eines geschickten Kochs eher angebracht finde als in den meinigen …«
    »Natürlich sind Köche nützlicher!« rief jener Seminarist, der an der »Sitzung« bei Wirginskij teilgenommen hatte. Die Ordnung lockerte sich. Aus vielen Reihen drängte man nach vorn, um die Zeremonie mit dem Lorbeerkranz besser sehen zu können.
    »Für einen Koch zahl’ ich jetzt noch drei Rubel drauf!« fiel eine Stimme ein, laut, sogar viel zu laut, nachdrücklich laut.
    »Ich auch!«
    »Ich auch!«
    »Gibt es hier wirklich kein Buffet?«
    »Herrschaften, das ist einfach Schwindel …«
    Es muß übrigens bemerkt werden, daß alle diese zügellosen Herrschaften sich immer noch vor unsern Würdenträgern ziemlich zusammennahmen wie auch vor dem im Saal anwesenden Polizeikommissar. Nach einem kurzen Hin und Her von etwa zehn Minuten hatten alle ihre Plätze wieder eingenommen, aber die alte Ordnung stellte sich nicht wieder her. Und gerade in dieses beginnende Chaos hinein geriet der arme Stepan Trofimowitsch …
    IV
    ICH lief allerdings noch einmal zu ihm hinter die Kulissen und hatte, außer mir vor Aufregung, gerade noch Zeit, ihn zu warnen, daß meiner Meinung nach die Sache geplatzt und es für ihn besser sei, überhaupt nicht aufzutreten, sondern unter einem Vorwand, meinetwegen der Cholerine, sogleich nach Hause zu fahren, ich würde dann die Schleife ablegen und ihn begleiten. In diesem Augenblick war er gerade im Begriff, das Podium zu betreten, blieb aber plötzlich stehen, maß mich mit einem hochmütigen Blick von Kopf bis Fuß und erklärte feierlich:
    »Wie kommen Sie dazu, mein Herr, mich einer solchen Niedertracht für fähig zu halten?«
    Ich gab mich geschlagen. Es war mir klar, wie zwei mal zwei, daß er ohne eine Katastrophe das Podium nicht verlassen würde.
    Während ich völlig niedergeschlagen stehenblieb, tauchte vor mir abermals die Gestalt des zugereisten Professors auf, der nach Stepan Trofimowitsch an die Reihe kommen sollte und der vorhin immer wieder die Faust erhoben und schwungvoll hatte niedersausen lassen. Er schritt immer noch hinter den Kulissen auf und ab und murmelte vor sich hin, mit giftigem, aber triumphierendem Lächeln. Ich trat fast unwillkürlich (mußte das sein?) auch auf ihn zu.
    »Wissen Sie«, sagte ich, »es gibt viele Beispiele dafür, daß einem Vortragenden, der das Publikum länger als zwanzig Minuten beansprucht, nicht mehr zugehört wird. Eine halbe Stunde wird sich keine Berühmtheit behaupten können …«
    Plötzlich blieb er beleidigt stehen und zitterte förmlich am ganzen Leib. Grenzenloser Hochmut zeigte sich auf seinem Gesicht.
    »Nur keine Sorge«, murmelte er verächtlich und ließ mich stehen. In diesem Augenblick ertönte im Saal die Stimme Stepan Trofimowitschs.
    “Der Teufel soll euch alle holen!” dachte ich und eilte in den Saal.
    Stepan Trofimowitsch hatte auf dem Stuhl Platz genommen, trotz des herrschenden Durcheinanders. In den vorderen Reihen begegneten ihm ablehnende Blicke. (Im Club erfreute er sich in letzter Zeit kaum noch der einstigen Beliebtheit und wurde wesentlich weniger geachtet als früher.) Übrigens konnte man schon froh sein, daß nicht gezischt wurde. Eine sonderbare Idee verfolgte mich seit dem gestrigen Tag: Ich sah immer wieder vor mir, wie man ihn sofort, kaum, daß er erschiene, auspfeifen würde. Indes wurde sein Erscheinen in der noch andauernden Unruhe kaum registriert. Und worauf hätte dieser Mann auch hoffen können, wenn sogar ein Karmasinow so viel hatte einstecken müssen? Er war blaß; seit gut zehn Jahren war er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nach seiner Erregung und nach allem, was mir an ihm nur allzu vertraut war, war mir ganz klar, daß er selbst seinen heutigen Auftritt auf dem Podium als eine schicksalhafte Entscheidung oder etwas Ähnliches betrachtete. Und gerade davor hatte ich Angst. Dieser Mensch war mir sehr teuer. Und wie wurde mir, als er den Mund auftat und ich seinen ersten Satz hörte!
    »Meine Herrschaften!« sprach er plötzlich,

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