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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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von Einsiedlern?«
    »Meine Herrschaften, am meisten wundere ich mich, daß Sie das so ernst nehmen … Übrigens haben Sie vollkommen recht. Es gibt kaum jemand, der die reale Wahrheit so schätzt wie ich …«
    Er lächelte ironisch, war aber sehr verblüfft. In seinen Mienen stand zu lesen: “Ich bin ja gar nicht so, wie Sie glauben. Ich bin doch auf Ihrer Seite! Sie müssen mich nur loben, loben, mehr loben, soviel wie nur möglich, ich mag das doch so furchtbar gern …”
    »Meine Herrschaften!« schrie er endlich, nun tief gekränkt. »Ich sehe, daß mein armes kleines Poem nicht an die richtige Adresse gelangt ist. Und ich selbst bin, wie es scheint, nicht an die richtige Adresse gelangt.«
    »Auf die Krähe gezielt und eine Kuh getroffen!« brüllte mit voller Lautstärke irgendein Dummkopf, offensichtlich betrunken, der selbstverständlich keinerlei Beachtung verdient hätte. Aber es erhob sich ein despektierliches Lachen.
    »Eine Kuh, sagen Sie?« Karmasinow fing sogleich den Ball auf. Seine Stimme wurde immer schriller. »Über Krähen und Kühe möchte ich mich einer Meinung enthalten, meine Herrschaften. Meine Achtung vor dem Publikum, welches auch immer es sei, verbietet mir jeden Vergleich, auch den unschuldigsten; aber ich dachte …«
    »Verehrter Herr, Sie sollten sich …«, brüllte jemand aus den hinteren Reihen.
    »Aber ich nahm an, daß man mir zuhören würde, wenn ich die Feder aus der Hand lege und von meinen Lesern Abschied nehme …«
    »Doch, doch, wir möchten zuhören, wir möchten!« ließen sich endlich einige Stimmen aus der ersten Reihe vernehmen, die endlich Mut gefaßt hatten.
    »Lesen, lesen!« fielen einige begeisterte Damenstimmen ein, und endlich wurde auch applaudiert, allerdings leise und spärlich. Karmasinow lächelte gezwungen und erhob sich leicht von seinem Platz.
    »Ich versichere Sie, Karmasinow, daß alle es sich zur Ehre anrechnen, Sie zu …« Sogar die Adelsmarschallin konnte sich einer Äußerung nicht enthalten.
    »Herr Karmasinow«, ertönte plötzlich eine frische junge Stimme aus dem Hintergrund des Saales. Es war die Stimme eines blutjungen Lehrers von der Kreisschule, eines ausgezeichneten jungen Mannes von stiller, vornehmer Gesinnung, der vor noch nicht so langer Zeit zu uns gezogen war. Er erhob sich sogar von seinem Platz. »Herr Karmasinow, wenn ich das Glück gehabt hätte, so zu lieben, wie Sie es uns beschrieben haben, dann hätte ich meine Liebe niemals in einer Erzählung geschildert, die für eine öffentliche Lesung bestimmt ist …«
    Er wurde sogar über und über rot …
    »Meine Herrschaften!« schrie Karmasinow, »ich schließe. Ich verzichte auf den Schluß und entferne mich. Aber gestatten Sie mir, lediglich die sechs Schlußzeilen vorzulesen.«
    »Ja, mein Freund und mein Leser, leb wohl!« begann er sofort aus seinem Manuskript zu lesen, ohne sich wieder zu setzen. »Leb wohl, mein Leser; ich bestehe nicht einmal darauf, daß wir uns als Freunde trennen: In der Tat, warum sollte ich Dich inkommodieren? Du kannst sogar schimpfen, oh, Du kannst über mich schimpfen nach Herzenslust, wenn es Dir nur Freude bereitet. Das beste jedoch wäre, daß wir einander vergäßen, für ewig. Und wenn Sie alle, meine lieben Leser, plötzlich so gütig wären, sich vor mir auf die Knie zu werfen und mich unter Tränen zu beschwören: ›Schreibe, o schreibe für uns, Karmasinow – für das Vaterland, für die Nachfahren, für den Lorbeer!‹ –, dann würde ich Ihnen, selbstverständlich aufs artigste, danken und antworten. ›O nein, wir haben lange genug einander zu schaffen gemacht, liebe Landsleute, merci! Es ist Zeit auseinanderzugehen! Merci, merci, merci.«
    Karmasinow verbeugte sich zeremoniös und wollte schon, feuerrot wie ein gekochter Krebs, hinter den Kulissen verschwinden.
    »Kein Mensch wird sich auf die Knie werfen; ein verrückter Einfall.«
    »Was für ein Dünkel!«
    »Das ist doch nur Humor!« verbesserte ein Verständigerer.
    »Danke, bleiben Sie mir mit Ihrem Humor vom Leibe!«
    »Eigentlich eine Dreistigkeit, meine Herrschaften.«
    »Jetzt ist er wenigstens fertig.«
    »Ist das langweilig!«
    Aber alle diese ignoranten Stimmen aus den hinteren Reihen (oder nicht nur aus den hinteren) wurden durch das Beifallklatschen des anderen Teils des Publikums übertönt. Man rief nach Karmasinow. Einige Damen, Julija Michajlowna und die Adelsmarschallin an der Spitze, drängten sich vor dem Podium. In Julija Michajlownas

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