Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Verschwörung? Es war häßlich, so blöd, daß es eine Schande ist, aber wo ist da eine Verschwörung? Ausgerechnet gegen Julija Michajlowna, die sie alle verwöhnt, gegen die Wohltäterin, die unentwegt allen ihre Schulbubenstreiche verzeiht! Julija Michajlowna, was habe ich Ihnen einen ganzen Monat lang gepredigt? Wovor gewarnt? Wozu, wozu in aller Welt brauchten Sie dieses Volk? Hatten Sie es nötig, sich mit diesen Leutchen abzugeben? Wozu? Warum? Um die Gesellschaft zu vereinen? Als ob die sich vereinen läßt! Ich bitte Sie!«
»Wann haben Sie mich gewarnt? Im Gegenteil, Sie haben es gutgeheißen, Sie haben sogar verlangt, daß … Ich muß gestehen, ich bin zutiefst erstaunt … Sie haben doch selbst viele merkwürdige Menschen bei mir eingeführt.«
»Im Gegenteil, ich habe mit Ihnen gestritten, aber ich habe nichts gutgeheißen. Klar, ich habe manchen eingeführt, das stimmt. Aber erst, als sie zu Dutzenden von selbst kamen, und das auch nur in allerletzter Zeit, um der ›literarischen Quadrille‹ willen, denn ohne solches Pack kommt man nicht aus. Aber ich möchte wetten, daß heute ein paar Dutzend anderer Gesellen ohne Billetts eingeschmuggelt wurden!«
»Ganz gewiß«, bestätigte ich.
»Sehen Sie, schon sind Sie mit mir einverstanden. Erinnern Sie sich, was für ein Ton hier in der letzten Zeit herrschte? Das heißt in der ganzen Stadt? Hier herrschte nichts als Dreistigkeit und Schamlosigkeit, ein einziger Skandal, und alles wurde an die große Glocke gehängt. Und wer hat das gefördert? Wer hat das durch seine Autorität gedeckt? Wer hat alle in die Irre geführt? Wer hat die kleinen Leute auf die Barrikaden getrieben? Sie haben doch ein Album, in dem die Geheimnisse sämtlicher ansässigen Familien festgehalten sind. Haben Sie Ihren Dichtern und Zeichnern nicht über das Köpfchen gestrichen? Haben Sie einen Ljamschin nicht das Händchen zum Kuß gereicht? Waren Sie etwa nicht zugegen, als ein Seminarist einen wirklichen Staatsrat unflätig beschimpfte und dessen Tochter mit seinen Schmierstiefeln das Kleid verdarb? Wieso wundern Sie sich, daß das Publikum gegen Sie ist?«
»Aber das waren doch immer Sie, niemand als Sie, o mein Gott!«
»O nein, ich habe Sie gewarnt, wir haben gestritten, hören Sie, wir haben uns gestritten!«
»Sie lügen mir ins Gesicht.«
»Natürlich, es kostet Sie ja nichts, das zu behaupten. Sie brauchen jetzt ein Opfer, um an irgendwem Ihre Wut auszulassen; bitte schön, tun Sie es an mir, ich sagte es ja schon. Ich wende mich lieber an Sie, Herr …« (Er konnte sich immer noch nicht auf meinen Namen besinnen.) »Gehen wir der Reihe nach vor: Ich behaupte, daß es außer Liputin keinerlei Verschwörung gab, kei-ner-lei! Das werde ich beweisen, aber zuerst wollen wir Liputin analysieren. Er betrat das Podium mit dem Gedicht dieses Idioten Lebjadkin – war das Ihrer Meinung nach eine Verschwörung? Halten Sie es nicht für möglich, daß Liputin einfach einen Spaß machen wollte? Im Ernst, im Ernst – einen Spaß. Er betrat das Podium mit der Absicht, alle zu erheitern und zum Lachen zu bringen, an erster Stelle seine Gönnerin Julija Michajlowna, das ist alles. Sie glauben das nicht? Paßt das nicht zu dem Ton aller anderen Vorkommnisse der letzten vier Wochen? Und wenn Sie es hören wollen, sage ich: Unter anderen Umständen wäre es vielleicht glatt durchgegangen, bei Gott! Ein plumper Scherz, meinetwegen, starker Tobak, aber irgendwie zum Lachen, nicht wahr? Zum Lachen?«
»Sie halten Liputins Aufführung für einen Spaß?« rief Julija Michajlowna in heftiger Empörung. »Diese Dummheit, diese Taktlosigkeit, diese Gemeinheit, Niedertracht, diese Hinterlist – oh, Sie sagen das mit Absicht! Sie stecken mit den Verschwörern unter einer Decke!«
»Keine Frage, ich habe hinten gesessen, mich versteckt und die ganze Maschinerie betätigt! Aber wenn ich an der Verschwörung beteiligt wäre – wenigstens das müssen Sie begreifen! –, dann wäre es doch nicht bei einem Liputin geblieben! Dann habe ich mich, Ihrer Meinung nach, auch mit meinem Herrn Papa abgesprochen, damit er mit Absicht einen solchen Skandal heraufbeschwört! Gut, aber wer ist schuld, daß mein Herr Papa als Vortragender zugelassen wurde? Und wer hat Sie noch gestern daran zu hindern versucht, gestern, gestern?«
» Oh, hier il avait tant d’esprit , ich habe so sehr darauf gerechnet, und außerdem hat er gute Manieren: Ich dachte, daß er und Karmasinow … und
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