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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der »Abtrünnigkeit«. Ich war gleich im ersten Moment frappiert, daß sie das ganze Mißlingen, die ganze Schmach dieser Matinee, mit einem Wort alles ausschließlich der Abwesenheit Pjotr Stepanowitschs zuschrieb.
    Und an ihm stellte ich eine wichtige Veränderung fest: Er schien irgendwie allzu besorgt, beinahe ernst zu sein. Gewöhnlich wirkte er niemals ernst, er lachte immer, selbst wenn er sich ärgerte, und er ärgerte sich oft. Oh, er ärgerte sich auch jetzt und sprach grob, nachlässig, verdrossen und ungeduldig. Er beteuerte, ihm sei plötzlich unwohl geworden, mit Kopfschmerz und Erbrechen, bei Gaganow zu Hause, wo er zufällig am frühen Morgen vorbeigeschaut hätte. O weh, die arme Frau wünschte immer noch so sehr, hintergangen zu werden! Die wichtigste Frage, die erörtert wurde, als ich dazukam, war: Sollte der Ball, das heißt der gesamte zweite Teil des Festes, stattfinden oder nicht? Julija Michajlowna weigerte sich entschieden, nach den »Beleidigungen von vorhin« auf dem Ball zu erscheinen, mit anderen Worten, sie wünschte aus tiefster Seele dazu genötigt zu werden, und zwar unbedingt von ihm, von Pjotr Stepanowitsch. Sie sah zu ihm auf wie zu einem Orakel und wäre, glaube ich, wenn er weggegangen wäre, sogleich krank ins Bett gesunken. Aber er hatte gar nicht vor wegzugehen: Er selbst wünschte aus tiefster Seele, daß der heutige Ball stattfände und daß Julija Michajlowna unbedingt zugegen wäre …
    »Was gibt es da zu weinen? Wollen Sie unbedingt eine Szene? Ihren Ärger an irgendwem auslassen? Bitte schön, lassen Sie ihn an mir aus, aber möglichst schnell, denn die Zeit verstreicht, und wir müssen uns entscheiden. Was bei der Matinee schiefgegangen ist, das werden wir mit dem Ball wettmachen. Hier, der Fürst ist der gleichen Meinung. Jawohl, wenn der Fürst nicht gewesen wäre, was hätte es dann für ein Ende genommen?«
    Der Fürst war zuerst gegen den Ball (das heißt nur gegen Julija Michajlownas Erscheinen auf dem Ball, der Ball sollte unbedingt stattfinden), aber nachdem seine Meinung zwei-, dreimal auf solche Weise zitiert worden war, begann er nach und nach zum Zeichen seines Einverständnisses »hm-hm« zu machen.
    Ich wunderte mich ebenfalls über die allzu auffällige Unverschämtheit von Pjotr Stepanowitschs Ton. Oh, mit Empörung weise ich das niederträchtige Gerücht zurück, das sich nachträglich über gewisse Beziehungen Julija Michajlownas zu Pjotr Stepanowitsch ausbreitete. Etwas von der Art war ausgeschlossen und konnte nicht anders als ausgeschlossen sein. Er hatte sie nur dadurch in der Hand, daß er ihr von Anfang an nach dem Mund geredet und sie in ihren Träumen vom Einfluß auf die Gesellschaft und das Ministerium bestärkt hatte, daß er sich mit ihren Plänen befaßte, diese selbst für sie entwarf, mit plumper Schmeichelei vorging, sie von Kopf bis Fuß umgarnte und ihr so unentbehrlich wurde wie die Luft.
    Als sie mich sah, rief sie mit funkelnden Augen:
    »Hier, fragen Sie ihn, er ist mir in der ganzen Zeit ebensowenig von der Seite gewichen wie der Fürst. Sagen Sie, ist es nicht klar, daß alles eine Verschwörung ist, eine niedrige hinterlistige Verschwörung, um uns alles erdenkliche Böse zuzufügen, mir und Andrej Antonowitsch? Oh, sie haben sich alle verschworen! Sie haben einen Plan. Es ist eine Partei, eine ganze Partei!«
    »Weit übers Ziel hinaus wie immer! Sie haben immer ein Poem im Kopf. Ich freue mich übrigens, daß Herr …« (er tat, als sei ihm mein Name entfallen) »gekommen ist, er wird uns seine Meinung sagen.«
    »Meine Meinung«, begann ich sogleich, »stimmt mit der Julija Michajlownas in allem überein. Es handelt sich eindeutig um eine Verschwörung. Ich bringe Ihnen, Julija Michajlowna, diese Schleife zurück. Ob der Ball stattfindet oder nicht – das ist, selbstverständlich, nicht meine Entscheidung, dazu habe ich nichts zu sagen; aber meine Rolle, die eines Festordners, spiele ich nicht länger. Verzeihen Sie mir meine Heftigkeit, aber ich sehe mich außerstande, gegen die gesunde Vernunft und meine Überzeugung zu handeln.«
    »Hören Sie, hören Sie!« Sie schlug die Hände zusammen.
    »Ich höre, und Ihnen möchte ich folgendes sagen«, wandte er sich an mich. »Ich nehme an, daß Ihr alle irgendwas Schlechtes gegessen habt und nun alle phantasiert. Meiner Meinung nach ist nichts geschehen, rein gar nichts, was nicht schon früher geschah und was in dieser Stadt nicht schon immer geschehen konnte.

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