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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Nikolajewitsch in ihrer Equipage vor das Haus von Lisas Mutter (deren Beine immer noch schmerzten) gebracht hatte, wartete in der Nähe der Vorfahrt, etwa fünfundzwanzig Schritt entfernt, etwas abseits, ein anderer Wagen. Als Lisa an der Vorfahrt aus der Equipage gesprungen war, lief sie sogleich auf diesen Wagen zu; der Wagenschlag öffnete und schloß sich wieder. Lisa rief Mawrikij Nikolajewitsch zu: »Haben Sie Erbarmen!« – und der Wagen raste in Richtung Skworeschniki davon. Auf unsere sich überstürzenden Fragen: »War das abgesprochen? Wer saß im Wagen?« antwortete Pjotr Stepanowitsch, er sei ahnungslos; man könne sicherlich von einer Absprache ausgehen, er jedoch habe Stawrogin im Wagen nicht gesehen; möglicherweise habe sein Kammerdiener, der alte Alexej Jegorytsch, darin gesessen. Auf die Frage: »Wie kam es, daß Sie dabei waren? Woher wissen Sie so genau, daß nach Skworeschniki gefahren wurde?« antwortete er, es habe sich eben so ergeben, daß er vorbeigegangen und, als er Lisa sah, sogar auf den Wagen zugelaufen sei (und dennoch nicht erkannt haben will, wer in dem Wagen saß – bei seiner Neugier!), und daß Mawrikij Nikolajewitsch ihr nicht nur nicht nachgeeilt sei, sondern nicht einmal versucht habe, sie aufzuhalten, im Gegenteil, er habe sogar die aus vollem Halse »Sie will zu Stawrogin! Sie will zu Stawrogin!« rufende Adelsmarschallin mit eigener Hand zurückgedrängt.
    Da riß mir die Geduld, und plötzlich schrie ich, außer mir vor Wut, Pjotr Stepanowitsch an:
    »Du warst es, du Schuft, der das alles arrangiert hat! Das war es, was dich den ganzen Vormittag gekostet hat! Du warst Stawrogins Handlanger, du bist im Wagen vorgefahren, du hast den Wagenschlag aufgerissen … Du, du, du! Julija Michajlowna, er ist Ihr Feind, er wird auch Sie zugrunde richten! Seien Sie auf der Hut!«
    Und ich stürzte Hals über Kopf aus dem Haus.
    Ich weiß heute noch nicht und wundere mich, wieso ich ihm das damals zugerufen habe. Aber ich hatte ins Schwarze getroffen: Alles hat sich fast genau so abgespielt, wie ich es ihm auf den Kopf zugesagt habe, was sich in der Folge herausstellen sollte. Es war vor allem jene auffällige Verlogenheit, mit der er uns die Nachricht unterbreitete. Er hatte es nicht gleich, nachdem er das Haus betreten hatte, als wichtigste und außerordentliche Neuigkeit erzählt, sondern so getan, als müßten wir auch ohne ihn darüber unterrichtet sein – eine Unmöglichkeit in so kurzer Zeit. Und auch wenn wir es gewußt hätten, so hätten wir doch unmöglich so lange darüber geschwiegen, bis er darauf zu sprechen kam. Er seinerseits konnte unmöglich gehört haben, was in der Stadt über die Adelsmarschallin bereits »die Spatzen vom Dach pfeifen«, weil auch dafür die Zeit zu kurz war. Außerdem hatte er beim Erzählen ein paarmal irgendwie gemein und leichtfertig gelächelt, offenbar, da er uns für bereits rettungslos hintergangene Dummköpfe hielt. Aber was ging er mich noch an; an der Tatsache war nicht mehr zu zweifeln, und ich stürzte außer mir von Julija Michajlowna fort. Die Katastrophe traf mich ins Herz. Ich litt so sehr, daß ich beinahe geweint hätte; ja, vielleicht habe ich geweint. Ich wußte überhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich eilte zu Stepan Trofimowitsch, aber der unmögliche Mensch ließ mich wiederum nicht ein. Nastassja beteuerte andächtig flüsternd, er habe sich zur Ruhe gelegt, aber ich glaubte ihr nicht. In Lisas Haus gelang es mir, einige Dienstboten auszufragen; sie bestätigten ihre Flucht, wußten aber weiter nichts. Im Hause herrschte Unruhe; die kranke Gnädige erlitt einen Ohnmachtsanfall nach dem anderen; Mawrikij Nikolajewitsch wich nicht von ihrer Seite. Es schien mir unpassend, ihn herausrufen zu lassen. Auf meine Fragen nach Pjotr Stepanowitsch wurde mir bestätigt, daß er in der letzten Zeit sehr oft aufgetaucht sei, manchmal zweimal täglich. Die Dienstboten waren bedrückt und sprachen von Lisa mit einer besonderen Achtung; man liebte sie. Daß sie verloren war, rettungslos verloren – daran zweifelte ich nicht, aber die psychologische Seite dieser Geschichte konnte ich einfach nicht begreifen, zumal nach der gestrigen Szene mit Stawrogin. Durch die Stadt zu rennen und mich in den bekannten, schadenfrohen Häusern zu erkundigen, wo sich die Neuigkeit inzwischen selbstverständlich verbreitet hatte, schien mir unerträglich und für Lisa erniedrigend. Aber seltsamerweise eilte ich zu Darja Pawlowna, wo ich allerdings

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